11 - Geheimagent Lennet auf der Insel des Schweigens
anderen Büros. Madeleine Terran tippte gerade auf der Schreibmaschine.
Die dritte!
Er kam in den Speiseraum. Der Chefingenieur ließ sich gerade in einen Sessel fallen, der unter seinem Gewicht quietschte. Er hatte eine Flasche Wermut in der Hand.
Und der vierte!
In diesem Augenblick kam Henry Goffic herein und schwenkte ein Blatt Papier.
»Was ist?« fragte Porticci. »Ist die Maschine repariert?«
»Nein, Chef. Meine Verlobte wünscht mir alles Gute zum Namenstag.«
Verblüfft starrte Lennet die fünf Menschen an, die sich im Eßzimmer versammelten. Keiner von ihnen konnte es gewesen sein, außer er verfügte über einen Zauberstab, mit dem er sich unsichtbar machen konnte, und war außerdem noch Anwärter auf den Mittelstrecken-Weltrekord.
Das Abendessen war von Monsieur Baret zubereitet worden, der als Meereskundler gleichzeitig Künstler in der Zubereitung von Fischen war. Man setzte sich gerade zu Tisch, pünktlich um 19 Uhr, als sie draußen Rufe hörten:
»Öffnen Sie! Ich kann nicht hinein!«
Es war die Stimme Lianes.
Plana drückte auf einen Knopf, der die Tür und das Gitter in Gang setzte.
»Mademoiselle«, sagte er finster, »Sie sollten nicht allein Spazierengehen!«
»Warum? Ich habe keine Angst vor Landstreichern«, entgegnete sie hochmütig. Und Lennet flüsterte sie ins Ohr: »Ich weiß, wer es ist!«
Dann setzte sie sich mit unschuldiger Miene an den Tisch.
Beim Essen beobachtete Lennet das Mädchen. Liane sah wirklich nicht wie eine Mörderin aus. Aber sie war die einzige, die für den Zeitpunkt, zu dem auf ihn geschossen wurde, kein Alibi besaß. Die Frage war allerdings, woher sie ein Blasrohr haben sollte. Lennet hatte den Pfeil nicht genauer geprüft, aber er hatte den Eindruck, daß er aus Metall war und überdies sehr sorgfältig gearbeitet. Und ein Geschoß dieser Größe benötigte ein großes Blasrohr, das Liane nicht in ihrer Kleidung verborgen haben konnte.
Überdies: Wieso sah sie so zufrieden aus, wenn sie gerade das Ziel verfehlt hatte?
Nach dem Essen sang Henry wieder sein Lied, während sich seine Kollegen eiligst verzogen.
Nach der dreiundvierzigsten Strophe (Henry hatte noch ein paar hinzugefügt, die auf seinem eigenen Mist gewachsen waren) wies Liane daraufhin, daß sie müde sei. »Ich gehe ins Zelt. Kommst du mit, Jerome?«
Offensichtlich hatte sie es eilig, Lennet ihre Entdeckungen mitzuteilen. Ob sie wirklich müde war oder die Müdigkeit nur spielte, konnte Lennet nicht beurteilen.
Er selbst hatte sich gehütet, irgendein Gericht zu essen oder etwas zu trinken, von dem nicht zuvor auch Plana gekostet hatte, und er fühlte sich völlig frisch. Trotzdem gähnte er ziemlich deutlich.
»Ja«, sagte er. »Ich bin wohl zuviel in der Sonne gewesen. Ich habe das Gefühl, zwanzig Stunden in einem Stück schlafen zu können.«
Als sie auf dem Weg zu den Zelten waren, packte Liane Lennet am Arm.
»Während du spazierengegangen bist, habe ich gute Arbeit geleistet. Weißt du, wer der Verräter ist?«
»Noch nicht, aber ich habe das Gefühl, daß ich es gleich erfahren werde. Wer ist es?«
»Nicht so eilig. Als du mich verlassen hast, bin ich in die Festung zurückgegangen und suchte einen Gesprächspartner. Ich muß gestehen, daß die Herren Porticci und Plana völlig unempfindlich für meinen Charme waren. Baret war völlig verschwunden. Glücklicherweise habe ich meine gefühlvolle Seele entdeckt und auch meinen unbezwingbaren Wunsch, traurige Lieder zu lernen.
Natürlich nicht während der Arbeitszeit, hat mir der gute Henry erklärt. Aber inzwischen fanden wir doch Zeit, um über die Bretagne, über bretonische Volkslieder und bretonische Spracheigenheiten zu plaudern.«
»Nun und?«
»Nun gut, nachdem ich also meine Leidenschaft für alles Bretonische entdeckt hatte, fand ich plötzlich auch meine Liebe für alles Elektronische wieder. Ich ließ mir also die ganzen Einrichtungen des Funkraumes erklären. Er schwatzte auch ganz munter drauflos, bis wir an eine bestimmte Stelle kamen, ein Gerät, das er überhaupt nicht zu sehen schien. Er stotterte ein bißchen und sprach dann von etwas ganz anderem.«
»Hast Du bemerkt, was für ein Gerät das war, ganz vage wenigstens?«
Ȇberhaupt nicht vage, mein Bester. Es war ein Magnetophon, aber keines, das mit Band arbeitet, sondern eines, das statt dessen einen Draht verwendet.
Ich kannte einmal einen Burschen, der ganz verrückt war mit solchem Zeug, und der hat mir erklärt, daß dieses Gerät
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