11 - Menschheitsdämmerung
endlich leiser wurde, bremste Pauahtun ab und wagte einen Blick in den Rückspiegel. »O nein!«, entfuhr es ihm.
Er wünschte sich, einem Trugbild aufzusitzen, aber was er sah, entsprach der Wahrheit: Erde, Steine, Geröllbrocken überall. Die Straße hinter ihnen war verschwunden, genauso wie die Lieferwagen und der Mercedes.
Und mit ihnen Camazotz, der Träger des Armreifs!
***
Splitter des Untergangs
Auszug aus einem internen Memo der Stadt Hamburg
… hat sich die Stadtverwaltung entschlossen, in allen öffentlichen Gebäuden wie beispielsweise den Gerichten und Finanzämtern die Schutzräume mit Proviant und Ausrüstung zu bestücken. Darüber hinaus werden kurzfristig mehrere dafür geeignete Tiefgaragen dementsprechend umgestaltet. Da hierdurch im Falle einer Katastrophe dennoch nur für einen geringen Bruchteil der Bevölkerung Platz geschaffen werden kann, sind diese Maßnahmen vertraulich zu behandeln. Eine Zuwiderhandlung zieht den Verlust des Anspruchs auf einen Bunkerplatz nach sich.
***
So also sah eine Gefängniszelle von innen aus.
Spencer McDevonshire lag auf dem Bett, das seiner stattlichen Körperlänge nur knapp gewachsen war, und starrte an die Decke. Den Verlauf der Risse im Putz hätte er nach nunmehr zwei Tagen Haft mit geschlossenen Augen nachzeichnen können.
Zwei lange Tage. Allmählich fragte er sich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, mit breiter Brust und dem Wissen um die eigene Unschuld ins Generalsekretariat von Interpol zu spazieren.
Tom Ericson und Maria Luisa Suárez saßen hoffentlich noch in dem Hotel nur zwei Querstraßen entfernt. Immerhin hatten sie Robbys Smartphone, über das dieser sie auf dem Laufenden hielt.
Nicht, dass es eine berichtenswerte Entwicklung gegeben hätte, seit McDevonshire mit den Worten »Gegen mich liegt ein Haftbefehl vor« im Interpolgebäude aufgetaucht war. Leider verrichtete sein Freund Audric Guignard an diesem Tag keinen Dienst, sodass man den Commissioner erst einmal wegsperrte.
Zwei Tage und dreizehn Gespräche mit Guignard waren seither vergangen. Pläne wurden geschmiedet, wieder verworfen und durch andere Pläne ersetzt.
Der Zugriff auf das Gelände bei dem verfallenen Bauernhof hatte sich erwartungsgemäß als Fehlschlag erwiesen. Die Loge hatte sich längst aus dem Staub gemacht. Vom Eigentümer fand man keine Spur; auch die Suche nach ihm lief noch. McDevonshire hatte keine Hoffnung, dass er noch lebte.
Also mussten sie auf anderem Weg versuchen, ihn zu entlasten. Audric und Robby arbeiteten eng zusammen, um den Kollegen aus der Bredouille zu holen, der eine in Lyon, der zweite von London aus, doch bisher ohne Erfolg.
Zwei Tage. Angesichts dessen, dass in ein paar Wochen die Welt unterzugehen drohte, konnte man den Rest seiner Zeit sicher angenehmer als in einer Zelle verbringen.
Gelegentlich arbeitete sich McDevonshire durch die Frequenzen des Radios oder schaltete sich durch sämtliche Fernsehprogramme auf der Suche nach vernünftigen Nachrichtensendungen. Dabei stellte er fest, dass die Programme immer häufiger aus Konserven bestanden. Musik in Endlosschleifen von der Festplatte im Radio, Serien und Spielfilme ohne Unterbrechung im Fernsehen.
Offenbar lief den Sendern das Personal davon. Begab sich auf Weltreise, lebte bisher unerfüllte Träume oder verkroch sich unter einer dicken Schicht aus Decken und Selbstmitleid auf dem heimischen Sofa.
Nachrichtensender wickelten den Betrieb mit Notbesetzungen ab. Die Sprecher wirkten übernächtigt, schlecht geschminkt und ebenso gelaunt. Kein Wunder bei den Neuigkeiten, die sie verkündeten. Selbstmorde, Plünderungen, Vergewaltigungen. Ein offenkundig wahnsinniger Fernsehprediger, der sich Reverend Pain nannte und seine Schäflein zu sich rief. Weitere Untergangsprediger in den USA, England, Australien und Indien. Allmählicher Zusammenbruch des Flugverkehrs. Zunehmendes Chaos auf der ganzen Welt. Um dem entgegenzuwirken, war für die Nachmittagsstunden eine Pressekonferenz mit diesem Professor Dr. Smythe angesetzt, angeblich mit neuen, beruhigenden Nachrichten, doch McDevonshire bezweifelte, dass er viel ausrichten konnte.
Vielleicht hast du dem gesunden Menschenverstand zu viel zugetraut! Schließlich sitzt du immer noch in einer Gefängniszelle, weil man die offenkundig falschen Beweise gegen dich noch nicht entkräftet hat.
Als hätte das Schicksal seinem geistigen Zetern gelauscht, ertönte ein Klicken in der Zellentür und Audric Guignard trat ein. Das
Weitere Kostenlose Bücher