11 - Menschheitsdämmerung
Radcliffe. »Aber wenn der Brocken die Erde verfehlt, sind wir mit unserem Dokumentarfilm so nah am Thema dran wie kein anderer.«
»Wohl wahr. Schau mal, der da vorne. Sucht der uns?«
Die Empfangshalle des Flughafens war so wenig bevölkert, dass der mexikanisch wirkende Typ am Eingang ihnen sofort ins Auge fiel. Gerade hob er ein Schild mit der Aufschrift »CERN Filmcrew«.
»Deutet einiges drauf hin«, sagte Radcliffe mit einem Grinsen. Sie winkten dem Mann, dieser gestikulierte zurück.
»Sind Sie hier, um uns abzuholen?«, fragte Sammy, als sie den Indio erreicht hatten.
»Abholen. Ja, ja«, brachte dieser in brüchigem Englisch hervor und nickte eifrig. Er führte das Team zu einem VW-Kleinbus.
Sie verluden die Ausrüstung und stiegen ein. Harry wollte auf die Beifahrerseite klettern, doch eine riesige Tasche, Burgerkartons und leere Cola-Becher belegten diesen Platz. Der Indio verzog das Gesicht zu einem schiefen, entschuldigenden Grinsen. »Bitte nicht verraten an Chefe«, radebrechte er.
Harry Radcliffe mühte sich ein Lächeln ab und stieg zu seinen Kollegen in den Fond. Der Mexikaner ließ die Tür zugleiten und reckte ihnen durch das Fenster den erhobenen Daumen entgegen. Dann umrundete er den Wagen, stieg vorne ein und fuhr los.
»Wann haben wir unseren ersten Drehtag?«, fragte Sammy.
Ruben, der für die Gesamtplanung zuständig war, zog einen Taschenkalender hervor und blätterte darin herum. »Morgen.«
»Und den letzten?«
»In zwei Wochen.«
»Also noch rechtzeitig vor dem Weltuntergang«, feixte Harry.
»Lange vorher«, sagte Sammy zuversichtlich. »Wenn die Welt irgendwann wirklich untergeht, werden wir das sicher nicht mehr erleben.«
»Ich denke, dafür kann ich garantieren«, ließ der Indio hinter dem Lenkrad in plötzlich perfektem Englisch vernehmen. Seine Stimme klang dumpf unter einer Gasmaske hervor, die er sich unbemerkt übergestülpt hatte. Gleichzeitig holte er eine zylinderförmige Dose hervor.
Ein aggressives Zischen erklang.
Gas!
Instinktiv fasste Harry nach dem Türgriff, doch bevor er ihn erreichte, beraubten ihn mörderische Krämpfe seiner Körperkontrolle. Nur wenige Sekunden später verschwand die Welt hinter einem Schleier aus roten Schmerzen.
Als die Sonne schon untergegangen war, fuhr der VW-Kleinbus vor dem Haus der Familie Cochet vor. Er rangierte rückwärts in die Einfahrt, die in völliger Dunkelheit lag.
Voltan stieg aus, löschte die Innenraumbeleuchtung, öffnete sämtliche Türen des Wagens, fing eine der Leichen auf, die ihm entgegensackte, stieß sie zurück und wartete.
Nach fünf Minuten war er sicher, dass das Gas verflogen war und keine Gefahr mehr drohte. Er nahm die Gasmaske ab.
Wenig später kamen seine drei verbliebenen Brüder aus dem Haus, luden die Ausrüstung des Filmteams aus und schafften die Leichen in den Keller.
All das spielte sich in gespenstischer Lautlosigkeit ab. Niemand sprach ein Wort, jeder kannte seine Aufgabe.
Seit die Loge Pauahtuns Bestrafung hatte miterleben müssen, war sie noch verbissener bei der Sache.
Als alles erledigt war, zog sich Voltan aus und steckte die Kleidung in die Waschmaschine im Badezimmer. Der Herr des Hauses hatte eine Kleidergröße getragen, die dem Indio leider nicht passte. Da er also keine Ersatzklamotten finden würde, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Sachen zu reinigen, die er trug. Schließlich wollte er morgen in CERN einen guten Eindruck machen und nicht nach Gas und Tod riechen.
***
»Einen schicken Wagen nennt er das«, schimpfte Tom zum mindestens zehnten Mal in sich hinein.
Natürlich, McDevonshires Organisationstalent war bewundernswert. Nicht viele Interpol-Bedienstete hätten ihre Kollegen dazu überreden können, einen voll technisierten Überwachungswagen im Fuhrparkverwaltungsprogramm als »in Wartung befindlich« zu kennzeichnen, um ihn einem gesuchten Verbrecher zu überlassen.
Ein unscheinbarer Lieferwagen, dessen Laderaum vor Monitoren beinahe überquoll und in der Mitte gerade mal einen schmalen Gang für zwei unbequeme Stühle freiließ.
Nicht der Inbegriff dessen, was Tom unter schick verstand.
Der Überwachungswagen parkte vor dem Rohbau eines Einfamilienhauses im Süden von Lyon. Das sichere Haus, in das sie die Loge zu locken hofften, lag drei Querstraßen weiter.
Die Monitore zeigten ihnen die dazugehörigen Kamerabilder. Gartentor, Garage, Wohnzimmer, Küche. Fast jeder Quadratzentimeter lag im Erfassungsbereich wenigstens einer Kamera. Nur
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