110 - Herrin der Seelen
Kristallkugel und hob sie hoch. Auch Dorian konnte sehen, was sich darin abspielte.
Man sah in der Kristallkugel, wie sich ein blondes Mädchen, dessen Haar bis über die Schultern herabfiel, mit einem stämmigen mittelgroßen Mann unterhielt. Dorian erkannte den Mann mit dem Gamsbarthut und in den Lederhosen sofort. Wenn das nicht Burian Wagner war, wollte er die Kristallkugel fressen oder sein Leben lang ein Landstreicher bleiben. Der Dämonenkiller konnte nicht verstehen, was das Mädchen mit dem unschuldigen Zuckerpuppengesicht und der verschmitzte Burian Wagner miteinander beredeten.
Die Runenhexe näherte ihren rotgeschminkten Mund der Kristallkugel.
„Bring ihn zu mir, Margot!" raunte sie. „Zeig ihm den richtigen Weg! Du kannst es."
Sie wandte sich wieder Dorian zu. „Wir werden bald Besuch bekommen", sagte sie.
Burian Wagner stieg auf der linken Seite des Lastwagens aus, Coco und Unga auf der rechten. Der Cro Magnon hielt die Tasche mit dem zwergenhaften Don Chapman in der Hand. Vor ihnen standen, mitten auf der Waldchaussee, drei Männer. Sie trugen einfache Kleidung, und zwei von ihnen hatten grüne Filzhüte mit einer kleinen Feder am Hutband auf. Ihre Augen blickten stumpf und glasig. Trotzdem spiegelte sich in ihnen Erkennen, als sie Burian Wagner ansahen.
„Du bist zurückgekommen, Burian!" sagte der Größte der drei, die allein mittleren Jahren waren. Burian Wagner nickte.
„Jawohl, Reuterjackel, Ebner Toni und Schmalzhans", sagte er. „Ich bin wieder da. Hier ist allerhand vorgefallen, seit ich wegging, und nichts Gutes, scheint mir."
„Eine neue Zeit ist angebrochen", sagte der Größte. „Sind das deine Gefährten?"
Er schaute Coco und Unga an.
„Sie gehören zu mir, Ebner Toni", antwortete Burian Wagner. „Sag mir eines, bevor wir über andere Dinge reden: Ist Tamara Kublajin noch da?"
Die drei Männer neigten die Köpfe, als verbeugten sie sich vor einer Respektsperson, als sie den Namen hörten.
„Darüber redet man hier nicht", sagte Toni Ebner. „Kommt mit! Ihr mußt dem finsteren Herrn euer Opfer bringen, bevor ihr weiter könnt!"
Burian Wagner trat auf ihn zu. Er packte den größeren Mann an den Aufschlägen seiner Joppe und schüttelte ihn hin und her. Burian Wagners sonst so joviales Gesicht war kantig und hart geworden. „Antworte mir, oder ich vergesse mich! Was ist mit der verfluchten Russin, mit Tamara Kublajin?" Toni Ebner antwortete nicht.
Coco Zamis ging nun dazwischen.
„Laß das, Burian!" sagte sie. „Was soll das denn bedeuten?"
Burian Wagner ließ Toni Ebner los. Er atmete stoßweise, und rote Flecke wären in seinem Gesicht zu sehen.
Er winkte ab. „Ich kenne diese drei Männer. Wir stammen aus demselben Dorf, aus Winden. Dort bin ich geboren und dort habe ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht. Ich war Naturheilpraktiker, ein Kräuterdoktor und Magnetiseur. Ich genoß die Achtung und den Respekt meiner Freunde und Nachbarn, hatte mein Auskommen und wollte nichts anderes. Aber dann - dann…"
„Was ist dann geschehen?" wollte Coco wissen. „Du hast es nie genau erzählt."
„Eine alte Geschichte", antwortete Burian Wagner abweisend.
„Hängt es mit Tamara Kublajin zusammen?" fragte Coco.
„Schon möglich", sagte Burian Wagner kurz angebunden.
Er schaute zur Seite, und es war klar zu erkennen, daß ihm allerlei Gedanken durch den Kopf gingen.
Coco hatte keine Zeit, sich länger damit zu beschäftigen. Sie wandte sich an die drei Männer aus Winden.
„Laßt uns vorbei!" befahl sie. „Wir müssen zum Falkreuther Steinbruch."
„Erst müßt ihr opfern", sagte Toni Ebner. „Kommt mit!"
Coco nickte zum Zeichen, daß Unga und Burian Wagner sich fügen sollten.
„Stell den Motor ab, Burian!" sagte sie.
Burian Wagner ging zum Lastwagen, stieg ein, drehte den Schlüssel um und zog ihn ab. Dann kehrte er zu den anderen zurück.
Toni Ebner winkte Coco und den beiden Männern, sich ihm anzuschließen. Er ging voraus; es folgten Coco, Burian Wagner und der die Tasche mit Don Chapman tragende Unga. Hinter ihnen kamen die beiden Dämonendiener, die Burian Wagner Reuterjackel und Schmalzhans genannt hatte. Sie waren ebenso wie Toni Ebner, einfache Männer aus dem Bayerischen Wald. Jetzt standen sie unter dem Einfluß unheimlicher und dämonischer Mächte. Ihre Namen, die sich sicher lustig anhörten, besagten nichts. Sie konnten sich von einem Augenblick zum andern in reißende Bestien verwandeln.
Coco, ihre beiden Begleiter und auch
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