110 - Herrin der Seelen
Gesichtsausdruck griffen Sie in die Dornen. Ohne eine Miene zu verziehen, packten sie die Ranken, so daß die Dornen tief in ihr Fleisch eindrangen. Das Blut lief über ihre Hände.
Der Mann und die Frau gingen zur Statue und hielten die Hände über die steinerne Blutschale. Ihr Blut tropfte hinein.
„Finsterer Herr, wir opfern dir!" heulten sie, und Toni Ebner und die beiden anderen Männer aus Winden stimmten in den Chor mit ein.
Toni Ebner wandte sich zu Coco Zamis, Unga und Burian Wagner um, die abwartend dastanden. Seine Augen waren jetzt nicht mehr stumpf, sondern loderten vor Fanatismus.
„Jetzt seid ihr an der Reihe!" sagte er. „Bringt dem finsteren Herrn freiwillig das Blutopfer, sonst vergießen wir euer Blut für ihn."
Der Dämonendiener meinte es ernst. Es war eine unverhüllte Drohung.
In diesem Augenblick drehte Burian Wagner durch. Er gab Toni Ebner einen Stoß, daß er gegen die Luguristatue taumelte.
„Ihr müßt sehen, wie ihr allein zurechtkommt!" rief Burian Wagner Coco und Unga zu. „Ich habe eine alte Rechnung zu begleichen."
Er lief davon, zur Chaussee und dem Lastwagen hin.
Bevor Coco und Unga noch recht begriffen hatten, was vorging, war Burian Wagner schon zwischen den Bäumen verschwunden. Die Tasche mit Don Chapman hielt er in der Hand.
Brüllend griffen die fünf Dämonendiener Coco und Unga an. Sie konnten sich jetzt nicht um Burian Wagner kümmern, sondern mußten sich ihrer Haut wehren. Die Dämonendiener fletschten die Zähne wie Tiere und hielten die Hände wie Klauen. Nicht wie Menschen, wie Bestien wollten sie kämpfen.
Aber der Kampf währte nicht lange. Gegen Ungas Kräfte kamen die unter dämonischem Einfluß Stehenden nicht an.
Der Cro Magnon wütete wie ein Wirbelwind. Wenn er erst einmal kämpfte, dann fiel die Tünche der Zivilisation von ihm ab, dann war er ein Wilder, ein Urmensch; und er hatte gelernt, seine Kräfte gezielt einzusetzen, was ihn noch gefährlicher machte.
„Töte sie nicht, Unga!" rief Coco. „Sie sind von Dämonen besessen und unschuldig an dem, was sie tun."
Es war nötig, das zu sagen. Unga konnte einen Menschen mit einem Schlag seiner bloßen Faust töten oder im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft zerreißen.
Er schlug drei Männer nieder. Den vierten warf er auf den Boden, daß er reglos liegenblieb. Der Frau gab Unga einen Klaps, der für sie vollkommen ausreichte. Die Dämonendiener lagen auf dem Boden, bewußtlos oder stöhnend und kampfunfähig.
Die Luguristatue grollte und fauchte furchtbar. Aus ihren Augen züngelten kleine Blitze. Es sah so aus, als wollte sie sich jeden Augenblick in Bewegung setzen.
Von der Straße her hörte man den Lastwagenmotor auf röhren.
„Wir müssen verschwinden", sagte Coco. „Ich habe so das Gefühl, als würden die Dämonendiener bald Verstärkung bekommen, und dann wird es nicht so harmlos für uns abgehen."
Unga atmete kaum merklich schneller. Er hatte eine Kondition, um die ihn ein Olympia-Zehnkämpfer beneidet hätte.
Auf der Waldchaussee fuhr der Lastwagen an.
„Wenn du deine Zeitmagie anwendest, kannst du den Lastwagen stoppen, Coco", sagte der Cro Magnon.
Coco beherrschte die Spezialfähigkeit der Familie Zamis, die Zeit zu manipulieren, in hohem Maße. Sie konnte sich und auch andere in einen viel schnelleren oder langsameren Zeitablauf versetzen. Coco schüttelte den Kopf.
„Laß ihn", sagte sie. „Er wird wissen, was er tut. Wenn ich ihn zwinge, zurückzukehren, wird ihn das tief kränken, und bei der nächsten Gelegenheit versucht er doch nur wieder, eigene Wege zu gehen."
„Aber Don Chapman ist bei ihm."
„Um so besser. Er wird ihn überwachen. Außerdem bin ich überzeugt, daß Burian auf Don aufpassen wird. Er läßt nicht zu, daß ihm etwas zustößt."
„Hoffentlich", brummte Unga.
Er schlug sich mit Coco seitlich in den Wald. Sie wollten versuchen, ihr Ziel - den Falkreuther Steinbruch - zu Fuß zu erreichen.
Burian Wagner raste mit dem schweren Lastwagen, der auch noch einen Anhänger hatte, die schmale gewundene Waldchaussee entlang. Sein Gesichtsausdruck war finster. Eine steile Falte zierte seine Stirn. Er hielt das Steuerrad mit beiden Händen fest. Trotzdem wurde es ihm in den Kurven fast aus der Hand gerissen.
Don Chapman war aus seiner Reisetasche gekrochen und hielt sich auf dem Beifahrersitz fest. Er fluchte, schimpfte und appellierte an Burian Wagners Vernunft.
„Burian, so nimm doch Vernunft an! Gleich fliegen wir mitsamt dem Lastwagen
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