1101 - Die Rache des Griechen
Menschen?
Sie sahen so aus, aber sie waren innerlich verrottet. Sie hatten die Veränderung durchlebt. Sie waren in den Kreislauf des Bösen hineingeraten, und ich war mir auch nicht sicher, ob sie noch Gefühle zeigen konnten.
Mein hilfesuchender Blick traf Suko.
Er hatte inzwischen seine Peitsche gezogen und den Kreis geschlagen.
Die drei Riemen waren hervorgerutscht. Für mich der Beweis, daß er die harte Tour befürwortete.
Soweit kam es nicht.
Schicksal, Zufall oder Können - jedenfalls griff urplötzlich derjenige ein, der sich als Herrscher der Insel bezeichnete. Er hatte im Hintergrund gelauert und alles beobachtet.
Wir befanden uns nicht zu weit vom Haus entfernt, und deshalb war auch das Licht deutlich zu sehen.
Kein normaler Scheinwerfer, auch keine besonders große Außenleuchte, nein, schräg über uns entstand plötzlich ein Bild groß wie eine Leinwand.
Innerhalb eines Augenblicks hatte sich eine gewaltige Scheibe erhellt.
Sie zeigte ein Bild, sie zeigte das Licht, das uns nicht blendete, und so konnten wir die Einzelheiten erkennen.
Es war nicht viel, aber es reichte.
Zwei Menschen malten sich vor uns ab.
Ein Mann mit einer dichten und hellen Haarmähne. Es war Aristoteles Leonidas.
Neben ihm stand wie eine Statue so regungslos ein anderer Mensch. Ein noch junger, nicht ganz erwachsen.
Johnny Conolly!
***
Sheila war wie eine Fremde durch die Wohnung geirrt. Die letzte Nachricht hatte sie fertiggemacht. Noch immer war die E-Mail auf dem Bildschirm zu lesen. Sie besagte, daß Leonidas ihrem Sohn Johnny den rechten Daumen abtrennen würde.
Sheila wußte nicht mehr, was sie davon halten sollte. Auf der einen Seite waren Bill, John und Suko losgefahren, um Johnny vor der Rache des Griechen zu bewahren, auf der anderen aber schien ihre Reise umsonst gewesen zu sein, denn dieser Leonidas hielt noch alle Vorteile in seiner Hand.
Er spielte mit ihnen. Er spielte mit der gesamten Familie und wollte selbst Sheila in den Wahnsinn treiben, so groß war sein Haß.
Sheila hatte versucht, Bill zu erreichen, hatte jedoch nur John über Bills Handy sprechen können. Auch etwas, das zu ihrer anderen Sorge hinzukam.
Sie fragte sich, warum Bill sie nicht hatte sprechen wollen.
Wahrscheinlich hatte John ihn davon abgehalten. Oder Bill war nicht in der Lage gewesen, zu reden.
Nicht in der Lage gewesen!
Immer wieder schoß ihr dieser Satz durch den Kopf und ließ die schlimmsten Vermutungen zu. Warum hatte ihr John nicht die Wahrheit gesagt? Wollte oder konnte er nicht?
Sie wußte es nicht. Sie wußte nur, daß sie in diesem leeren Haus allein fast durchdrehte. Sheila brauchte jemand, mit dem sie reden konnte. Sie war ein Mensch mit Gefühlen und beileibe nicht so stark wie irgendeine Filmfigur.. Da waren die Heldinnen stets Frauen, die mit jeder Lage sofort zurechtkamen. Doch Sheilas Leben bestand nicht aus einem Drehbuch.
Die Männer hatten ihr vorgeschlagen, jemand zu sich zu holen, damit sie nicht so allein war. Das hatte Sheila abgelehnt, weil sie nicht als schwach gelten wollte.
Nun fehlten ihr Gesprächspartnerinnen.
Sie war wieder ins Wohnzimmer gegangen und starrte hinaus in den dunklen Garten. Das Rollo war nicht vor die breite Scheibe gefahren.
Sheila wäre sich sonst noch eingesperrter vorgekommen. Sie überlegte, wen sie am wenigsten störte. Shao oder Jane? Es blieb sich gleich, aber sie kannte die Detektivin länger und fühlte sich stärker mit ihr verbunden.
Aus diesem Grunde würde sie Jane Collins bitten, ihr Gesellschaft zu leisten.
Telefone gab es genug im Haus, auch im Wohnzimmer. Die Nummer fiel ihr kaum ein, so durcheinander war sie. Sheila mußte sich schon sehr konzentrieren, um sie endlich herauszufinden.
Jane hob ab. Sogar recht schnell. Sie war wohl noch nicht zu Bett gegangen, und sie hörte an Sheilas Stimme, daß etwas nicht in Ordnung war.
»Was ist passiert?«
»Kannst du kommen, Jane?«
»Ist was mit Johnny und Bill?«
»Ja, ja, ja…«
»Und was?«
»Bitte komm!«
Jane stellte keine Fragen mehr und sagte nur: »Ich fliege. Öffne schon unten das Tor.«
»Mach ich.«
Sheila legte den Hörer auf. Jetzt ging es ihr etwas besser. Zwar wußte sie selbst, daß auch eine Jane Collins nichts auf der Insel selbst verändern konnte, aber es tat schon gut, wenn sie da war und man mit ihr reden konnte. Das beruhigte die völlig angespannten Nerven.
Sheila wußte selbst wie schlecht sie aussah. Tränen hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Deshalb
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