1105 - Das Siegelschiff
dich überall gesucht, Eric. Ich brauche dich. Wir alle brauchen dich. Ohne dich können wir unser STAC nicht hören."
Ein grausamer Schmerz stach durch seine Brust, als ihm bewußt wurde, daß auch er die innere Stimme nicht mehr hörte, die ihn zu STAC hatte führen sollen und die vor Stunden oder Tagen so deutlich in ihm geklungen hatte, daß er keinen Moment daran gezweifelt hatte, unmittelbar vor dem Eingang in STAC zu stehen.
„Warum?" fragte er.
Shalay Kohinnic ging vor ihm in die Hocke.
„Was meinst du? Was ist geschehen? Warum sind wir hier? Wo ist unser STAC?"
Eric blickte ihr ins Gesicht, dann schüttelte er traurig den Kopf. Es war sinnlos, nach Antworten auf diese Fragen suchen zu wollen. Alles war sinnlos geworden. Wenn Shalay das doch nur einsehen und ihn in Ruhe lassen würde!
Aber sie war zu jung dafür. Anstatt sich ebenfalls zu verkriechen und auf den Tod zu warten, fing sie an zu weinen.
Plötzlich wurde ihr Weinen von einer rauhen Männerstimme übertönt.
„Was ist denn hier los?" polterte die Stimme.
Eric reagierte nicht darauf, aber Shalay hörte auf zu weinen und sagte: „Ich habe Eric Weidenburn gefunden. Er ist hier, aber ..."
„Eric Weidenburn?" unterbrach sie die Männerstimme. „Was ist mit ihm? Ist er tot?"
„Nein", antwortete Shalay. „Aber er ist so - seltsam."
Energisch klingende Schritte kamen näher, dann packten zwei kräftige Hände Weidenburns Schultern und schüttelten ihn kräftig.
„He, komm zu dir!"
Erics Kopf pendelte hin und her. Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber die Lider hoben sich nur einen Spalt weit.
Die Hände ließen seine Schultern los, packten ihn am Vorderteil seines SERUN und hoben ihn hoch.
„Hat er Drogen genommen?" fragte die rauhe, aggressive Stimme.
„Ich weiß es nicht", sagte Shalay hilflos.
Sie schrie erschrocken auf, als der Mann Eric mit der flachen Hand ins Gesicht schlug.
„Hör gefälligst auf damit!" rief sie. „Das ist Eric Weidenburn!"
„Eben!" sagte der Mann, ließ jedoch von Eric ab.
Eric schwankte, dann kehrte ein Bruchteil seiner Lebensenergie zurück. Er öffnete die Augen ganz und blickte den großen, breitschultrigen Mann an, der auf dem Brustteil seines SERUN ein schmales Schild mit der Aufschrift LHH DETERING trug (wobei LHH die Abkürzung für Leichter Holk Hanse war).
Der Raumfahrer grinste, aber seine Augen waren unbeteiligt daran. Sie funkelten kalt und drohend.
„Wer bist du?" fragte Eric mit matter Stimme.
Die Stimme des Mannes verriet Bitterkeit und noch etwas, als er antwortete: „Dritter Metagrav-Ingenieur der DETERING, Ingar Kopok. In die Endlose Armada entführt, weil ich einem Scharlatan vertraute."
„Eric ist kein Scharlatan!" protestierte Shalay.
Ingar Kopok lachte bitter.
„Ich war ein Dummkopf, auf die Sprüche dieses Wahnsinnigen hereinzufallen und zu glauben, es gäbe ein STAC und wir würden darin unsere höchste Erfüllung finden. Ich war sogar so dumm, nicht einmal zu fragen, was STAC überhaupt sein soll. Aber jetzt kann ich wieder denken, und ich frage dich, Eric Weidenburn, was hinter dieser Abkürzung steht!"
Eric runzelte die Stirn und versuchte, sich zu konzentrieren, seine Erinnerungen zu sammeln.
Es war dunkel auf der Erde. Die Augen sahen nichts. Wollte man gehen, mußte man sich mit den Händen vorwärts tasten und nach dem richten, was man mit den Ohren gehört hatte. Alles waren Töne.
Eric erschauderte, denn er ahnte, daß sich ein furchtbares Geheimnis hinter diesen Worten verbarg, die sein Unterbewußtsein ihm eingegeben hatte, als gehörten sie zu seinen Erinnerungen.
Doch er wußte, daß er diese Worte niemals gehört hatte.
Jählings schoß die Erinnerung an in der Luft schwebenden goldfarbenen Staub, der jedesmal erbebte, wenn das rhythmische, fordernde Pochen ertönte, in sein Bewußtsein.
Staub, Pochen, Visionen, ein Schatten, eine Stimme!
„Nichts ist absurder als die Sicht des Menschengeists", sagte Eric gegen seinen bewußten Willen mit loser Stimme.
„Wieder so ein Spruch!" empörte sich Ingar Kopok. „Aber keine Antwort auf meine Frage."
„Aber es klingt logisch", wandte Shalay ein. „Die Sicht des menschlichen Geistes muß notwendigerweise absurd sein, gemessen an der Wahrheit, die er auf seiner niedrigen Evolutionsstufe nicht entfernt erahnen kann."
„Philosophie ist hier nicht gefragt", entgegnete Ingar scharf. „Mit ähnlichen Phrasen hat er uns für dumm verkauft. Ich begreife gar nicht, wie ihm das gelingen
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