1111 - Der Maskenmann
Öffnung an den Mund setzte. Der kalte Saft, der in ihren Magen rann, machte sie darauf aufmerksam, daß sie noch lebte und normal vorhanden war. Und daß sie nicht träumte.
Ein paar Lampen hatte sie eingeschaltet. Melody fürchtete sich vor der Dunkelheit, denn das war die Zeit des Schattenmannes. Wie geschaffen für jemand wie ihn. Er fand sich zurück. Die Toten liebten die Dunkelheit. So dachte Melody und hätte beinahe über sich gelacht. Tote waren tot. Sie kamen nur in gewissen Filmen zurück oder auch in Gruselgeschichten, doch nicht in der Wirklichkeit.
Sie hätte an einen Scherz glauben können oder müssen, wenn sie nichtpersönlich von dem Ereignis betroffen gewesen wäre. So aber war alles auf den Kopf gestellt worden.
Es war gut, daß sie allein im Haus war. Ihren Eltern hätte sie damit nicht kommen dürfen. Die hätten sie für wahnsinnig gehalten und zum Arzt geschickt.
Melody wußte nicht, wie sie den Rest der Nacht verbringen sollte. Sie dachte daran, eine Freundin zu besuchen, doch auch diesen Gedanken verwarf sie wieder. Das hatte alles keinen Sinn. Jeder Fremde hätte sie für verrückt oder für eine Spinnerin gehalten.
Allein bleiben, nachdenken, wenn möglich und…
Nein es war nicht möglich.
Schon immer hatte sie sich über den Klang der Klingel geärgert. Diesmal kam er ihr besonders schrill vor. Schon wie der Ton einer Sirene, der durch ihre Ohren schmetterte.
Die Eltern waren es nicht, die Einlaß begehrten. Sie brauchten auch nicht zu klingen.
Wer aber konnte sie um diese Zeit noch besuchen wollen? Um das herauszufinden, lief sie zur Tür und schaute durch den Spion. Da das Außenlicht eingeschaltet war und sich sein Schein in den nahen Gewächsen verfing, so daß sich eine helle Insel bildete, sah sie in deren Mittelpunkt einen jungen Mann stehen.
Es war David Cole!
Ausgerechnet David. Melody schüttelte den Kopf. Sie wußte nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. David war besorgt um sie, das hatte er ihr immer wieder gezeigt. Er liebte sie auch, aber sie konnte nicht mit ihm so zusammensein, wie es bei Jerry Randall passiert war. Er war nett, war besorgt, machte ihr den Hof, aber das alles reichte nicht. David war ein lieber, guter und netter Freund und…
»Mach doch auf, Melody! Ich weiß, daß du zu Hause bist. Versteck dich doch nicht. Deine Eltern sind nicht da. Es ist nicht gut, wenn du alleine bleibst. Nicht in der Nacht.«
Melody kannte ihn. Seine Besorgnis ging so weit, daß er nicht lockerlassen würde. Deshalb konnte sie nicht länger warten, gab sich einen Ruck und öffnete die Tür.
David lächelte sie an, wie immer etwas hölzern. Das war halt seine Art. »Darf ich reinkommen?«
Melody hob die Schultern. »Ja, wenn du willst…«
»Danke.«
***
Mein Gott, dachte sie. Ich muß schrecklich aussehen. Jeder, der mich sieht, muß sofort wissen, daß etwas gesehen ist. Ich hätte mich schminken sollen, ich hätte… ich hätte…
Seine Stimme unterbrach ihren Gedankengang. Er hatte die Tür wieder geschlossen. »Es ist komisch, Melody, aber ich habe den Eindruck, als hätte sich hier etwas verändert.«
»Wie kommst du darauf?«
»Gefühl.«
»Geh schon vor ins Zimmer. Möchtest du etwas trinken?«
»Ja, ich habe Durst.«
»Was denn?«
»Ist egal.«
Sie brachte Mineralwasser und Wein mit. David Cole stand am Fenster und blickte in den Garten.
Er war nicht in seiner Uniform gekommen. Jetzt trug er eine helle Hose und dazu ein dunkles Hemd.
Daß er so starr in den Garten schaute, gefiel ihr nicht. Melody dachte an Jerrys Versprechen. Sie wollte auf keinen Fall, daß er den Schattenmann entdeckte, wenn er sich noch im Garten aufhielt.
»Wir trinken Wein und Wasser gemischt, David. Ist das okay?«
»Ja, das ist sehr gut.«
Sie schenkte die Getränke ein. Noch immer gab nur die eine Lampe Licht ab, und David fragte: »Ist dir das nicht zu dunkel?«
»Nein, mir reicht es.«
»Okay.« Er lächelte ihr zu, und sie versuchte, das Lächeln zu erwidern, was ihr nicht gelang. Es wirkte verkrampft und kam ihr verlogen vor.
Nachdem beide den ersten Schluck getrunken hatten, setzten sie sich auf die Couch und schwiegen.
Sie kannten sich recht gut, doch jetzt, als sie zusammensaßen, da wirkten sie wie zwei Fremde, die sich zufällig gefunden hatten.
»Warum bist du gekommen?« fragte Melody.
»Ich wollte wissen, wie es dir geht.«
»Gut, wie du siehst.« Sie nickte und trank.
»Das glaube ich nicht!«
Innerlich schrak Melody zusammen.
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