1111 - Der Maskenmann
Für den Abend und die Nacht waren starke Regenfälle und auch Gewitter vorhergesagt worden. Die ersten Vorboten kündigten sich bereits an.
Da segelten graue Wolken über den Himmel hinweg wie faserige Schweife.
Der See schwieg. David sah nichts, was ihn hätte beunruhigen können. Trotzdem fühlte er sich unwohl. Hier hielt sich etwas verborgen, das seine Augen nicht sahen.
Ein leises Hüsteln ließ ihn erstarren.
Auf einmal fühlte er sich vereist. David Cole war in seiner Welt versunken gewesen und hatte sich von den Gedanken förmlich wegtragen lassen, jetzt aber wurde er in die Realität zurückgerissen. Er war auch deshalb so erschrocken gewesen, weil er den Laut hinter sich vernommen hatte.
Blitzartig fuhr er herum.
Da stand Melody!
Er hatte sie nicht kommen gehört, und als er sie jetzt sah, hielt er ihre Gestalt trotzdem für ein Trugbild. Er wischte sich rasch über die Augen. Dabei öffnete er den Mund, um ihr etwas sagen zu können, doch er brachte keinen Laut hervor. Die Überraschung hatte ihn einfach stumm werden lassen.
Melody aber lächelte. Zuckersüß, wie nur eine Frau lächeln konnte. Es war trotzdem etwas an ihr, das ihm nicht gefiel. Es konnte durchaus an den Augen liegen, deren Blicke ihm skeptisch und sogar etwas lauernd vorkamen.
»Hi, David, hier finde ich dich.«
»Klar, wie du siehst.«
»Schön.« Sie lächelte weiter, aber ihre nächste Frage gefiel ihm nicht. »Und was machst du hier?«
»Äh, ich wollte nur mal schauen.« Er ärgerte sich über die flaue Ausrede, doch eine bessere war ihm auf die Schnelle nicht eingefallen. Daß Melody den Mund verzog, konnte ihm ebenfalls nicht gefallen, und er wünschte sich weit, weit weg. Zusammen mit ihr an einen Ort, wo sie ganz allein waren und er ihr hätte alles erklären können.
Die Realität sah anders aus, und damit beschäftigte sich vor allen Dingen Melody Scott. Sie hob den rechten Arm leicht an, um an David vorbei zu zeigen. »Gehören die beiden Typen dort hinten auf dem Boot auch zu dir?«
»Ja, irgendwie schon«, gab er zu.
»Freunde?«
»Nein, nicht direkt.«
»Hätte mich auch gewundert.« Sie lächelte wieder so wissend. »Kollegen, wie?«
»Kann man sagen.«
»Was willst du denn damit erreichen, David? Warum hast du sie hergeholt?«
»Weil ich mich überfordert fühle.« Er merkte, wie er noch stärker schwitzte und ärgerte sich auch darüber, denn es war kein normaler Schweiß, sondern einer, der mehr durch die Unsicherheit hervorgerufen wurde. Er stand tiefer als Melody. Sie schaute auf ihn herab, und das spürte er auch im übertragenen Sinne. Sie wußte mehr, sie gab sich sicherer, und sie hatte sich so verändert.
»Alle Menschen sind überfordert«, sagte sie orakelhaft.
»Wie meinst du das denn?«
»So wie ich es gesagt habe.«
»Du weißt mehr, nicht?«
»Vielleicht.«
David Cole schnappte nach Luft. »Verdammt noch mal, Melody, wenn du mehr weißt, dann mußt du es auch sagen. Du darfst dich nicht zurückziehen. Das ist nicht gut. Du mußt einfach reden! Es hat doch wieder zwei Tote gegeben. Was ist hier überhaupt los?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Nein, kann ich nicht. Sorry, ich bin nicht so schlau.«
»Aber du möchtest es wissen«, sagte sie und lächelte diesmal lockend.
»Klar, will ich das.«
»Dann komm mit!«
Er war so überrascht, daß er nachfragte. »Bitte? Was hast du gesagt?«
»Daß du mitkommen sollst.«
»Und wohin?«
»Das wirst du sehen.«
Plötzlich fühlte sich der junge Polizist in einer Zwickmühle. Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Einerseits hatte er seinen Kollegen versprochen, hier zu warten, andererseits aber hatte er die Chance erhalten, etwas aus eigener Kraft bewegen zu können. Wie er es auch drehte und wendete, es war schwer, hier die richtige Entscheidung zu treffen.
»Wie lange willst du denn noch warten?«
»Ähm, ich…« Er drehte sich um und wollte auf das Boot weisen, aber Melody kam ihm zuvor.
»Wer ist denn wichtiger für dich? Deine beiden Kollegen oder ich?«
Er versuchte es noch einmal. »Das ist kein Spaß hier. Es geht um mehr, um zwei Morde an Menschen, von denen nur die Skelette zurückgeblieben sind.«
Darauf gab ihm Melody keine Antwort. »Also ich gehe jetzt. Du kannst es dir ja überlegen.« Sie setzte ihr Vorhaben sofort in die Tat um, drehte sich um und ging davon.
David starrte ihr nach. Nicht sehr lange.
Er stieß einen knappen Fluch aus, dann setzte er sich in Bewegung, um Melody zu folgen. Er
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