1116 - Der Hexenkelch
ließ mich zurück.
Die Übelkeit hatte ich in den letzten Minuten nicht so stark gespürt, weil ich abgelenkt gewesen war. Jetzt aber kehrte sie zurück. Es blieb einfach nicht aus, ich mußte mich übergeben. Schweißströme perlten aus meinen Poren. Die verdammten Stricke umwickelten meinen Körper so hart, als sollten sie sich irgendwann durch die Kleidung fressen und Feuer auf meiner Haut legen.
Das Boot bewegte sich auch jetzt. Nach wie vor übertrug sich das Schaukeln auf mich, so daß sich die Umgebung auch weiterhin in Bewegung zu befinden schien. Sie tanzte auf und nieder. Das würde sich bei diesem Kutter außerhalb des Hafens noch verstärken.
Ich wußte nicht, wie weit wir auf das Meer hinausfuhren und welche Richtung wir einschlugen.
Vielleicht blieben wir auch zwischen der Insel und der Küste oder fuhren nach Westen, hinaus auf die offene See.
Josuah Black kam noch einmal zurück. Er blieb vor mir stehen. »Wir starten jetzt«, sagte er mit leiser Stimme. »Sie werden noch Zeit genug haben, um letzte Gebete zu sprechen.« Er griff unter seine Jacke und holte meine Beretta hervor. »Ach ja, die habe ich Ihnen abgenommen. Ich behalte sie als Andenken.«
Dagegen konnte ich nichts tun, aber ich stellte ihm noch eine Frage: »Sie wissen, wen Sie da umbringen wollen?«
»Ja, ich kenne euren Beruf. In London hätte ich es sicherlich nicht getan, doch hier ist das etwas anderes.« Er zuckte die Achseln. »Es gelten eben andere Gesetze.«
»Das ist ein Irrtum!« flüsterte ich. »Die Gesetzte sind über Jahrhunderte hinweg die gleichen geblieben. Es kommt nur darauf an, was die Menschen aus ihnen gemacht haben…«
»Wir starten«, sagte er und ließ mich allein…
***
Es war dunkel, nein, es war nur ein Halbdunkel. Suko merkte es, als er die Augen aufschlug. Er hatte alles versucht, aber die Übermacht war letztendlich zu groß geworden. Möglicherweise wäre ihm noch eine Chance geblieben, wenn er von seiner Schußwaffe Gebrauch gemacht hätte, doch dieses Risiko hatte er nicht eingehen wollen. Es waren keine Dämonen und keine Killer gewesen, die ihn angegriffen hatten, sondern einfach nur Menschen, die in ihrer Not keinen anderen Ausweg wußten.
Das endgültige Aus war dann sehr plötzlich gekommen. Am Hinterkopf hatte es ihn erwischt. Ein harter Gegenstand. Geworfen, geschlagen, wie auch immer, er wußte es nicht, aber die Schwärze hatte ihn dann in den dunklen Tunnel gezogen.
Zu lange, denn als Suko erwachte, lag er in diesem Halbdunkel. In einem Keller, in einem Verlies, wie auch immer, und man hatte ihm die Hände gefesselt.
Könner waren es allerdings nicht gewesen, denn seine Hände lagen vor dem Bauch. Die Stricke umwickelten die Handgelenke. Sie waren recht dick, mehrmals darum gedreht, auch verknotet worden, aber sie waren nicht so straff wie Nylonschnüre.
Nachdem sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, mußte er feststellen, daß er sich nicht allein in diesem Raum befand. Alan Friedman lag nicht weit von ihm entfernt auf dem Boden.
Da auch er sich nicht bewegte, mußte Suko davon ausgehen, daß man ihn ebenfalls gefesselt hatte und er noch bewußtlos war.
Im Moment war Alan nicht wichtig. Suko wollte sich um seine Befreiung kümmern. Dazu benötigte er die Vorbereitung der Meditation. Fünf Minuten würden reichen, um klarzukommen. Er war in einem Kloster aufgewachsen. Dort hatte man ihm die Disziplin beigebracht und ihn gelehrt, gegen die Widrigkeiten des Lebens anzugehen. Probleme waren da, um sie zu besiegen, auch mit geistigen Kräften, die als Helfer eingesetzt werden konnten.
Es war ihm gegeben, sich absolut zu entspannen und durch die innere Ruhe wieder Kräfte zu sammeln. Da sein Freund John nicht in diesem Gefängnis lag, mußte man ihn woanders hingebracht haben. Die Hexe wartete auf beide, um ihr Blut in den Kelch fließen lassen zu können, den sie anschließend leerte.
Die Schmerzen in Sukos Kopf vergingen zwar nicht völlig, doch er schaffte es, sie zu ignorieren.
Für ihn waren sie dann nicht mehr vorhanden, und so kümmerte er sich um seine Fesseln.
Er war sicher, sie lösen zu können. Die Stricke waren einfach zu dick. Er wußte auch, daß die Knoten nicht so gut hielten.
Suko wußte, das die Zeit drängte. Stundenlang würden sie ihn nicht gefesselt liegen lassen. Trotz der Eile bewegte er sich ruhig und überstürzte nichts.
Um die Befreiung zu beschleunigen, nahm er schließlich seine Zähne zu Hilfe. Es gelang ihm, den ersten
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