Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
Vom Netzwerk:
noch tastend vorwärts.
    Ein Abstecher nach rechts führte uns in ein kleines Schlafzimmer. Ein einfacher Kleiderschrank, eine Kommode, etwas verstreute Wäsche und ein Einzelbett – mehr war beim Durchkriechen nicht festzustellen. Die kurze Suche in dem durchwühlten Bett und im Kleiderschrank blieb erfolglos. Der Vermisste war nicht hier. Links vom Flur lag das Wohnzimmer. In diesem Raum brannte es. Wir versuchten uns zu orientieren. Man konnte durch den dichten Rauch zwar nicht viel erfassen, aber doch einige züngelnde Flammen und manchmal einen schwachen Feuerschein.
    Ich spürte Hitze. Rußflocken setzten sich auf meiner Maske ab, die ich zwischendurch immer wieder abwischen musste, um zumindest einige Zentimeter weit sehen zu können. Dann hörte ich, wie Glasscherben klirrend zu Boden fielen. Wahrscheinlich hatten die Scheiben in den Wohnzimmerschränken der Hitze nicht mehr standgehalten. Ein lauter Knall ließ uns zusammenzucken. Ein Feuerzeug, das explodiert war? Eine Sprühdose? Es war nichts zu erkennen. Als Rohrführer schickte ich ein paar Wasserstöße auf die Stellen im Raum, von denen der orangefarbene Feuerschein ausging. Dieter suchte weiter nach der vermissten Person.
    Nur ein kurzer Wasserstoß, und im Wohnzimmer war für einige Sekunden nicht das Geringste wahrzunehmen, denn der Flammenschein war durch das schlagartig verdampfende Wasser augenblicklich verhüllt. Lautes Krachen und weiteres Glasklirren erfüllte den Raum, und plötzlich konnte ich Licht erspähen: Die Drehleiter war vor dem Fenster in Position gegangen. Der Kollege im Korb hatte mit dem Einschlagen des Fensters für zusätzliche Belüftung gesorgt, die Scheinwerfer am Leiterpark für etwas mehr Sicht. Unsere Arbeit wurde dadurch erheblich erleichtert. Dieter brauchte sich bei seiner Suche nach dem Vermissten nicht mehr ausschließlich auf seinen Tastsinn zu verlassen, und durch die Belüftung loderte das Feuer auch etwas heller, sodass ich es gezielter löschen konnte.
    Hinter uns kam durch den Hausflur der zweite Atemschutztrupp in die Wohnung. «Im Schlafzimmer da drüben waren wir schon, kontrolliert mal den Raum hinter der dritten Tür», rief ich ihnen zu, während ich die letzten Flammen mit Wasser bearbeitete.
    Dieter hatte seine Runde im Wohnzimmer beendet. «Hier ist keiner», sagte er. «Und wäre er hier, so hätte der Mann bei der Thermik keine Chance gehabt.»
    Als der zweite Trupp die dritte Tür öffnete, standen die Männer im fensterlosen Bad. Die Fliesen schwarz, der Raum mit Rauch gefüllt. In der Wanne lag leblos der Mann, der «die Sache alleine regeln» wollte. Schnell zerrten sie ihn aus der Wanne heraus und schleppten ihn ins Freie. Als die Kollegen den Mann durch den Wohnungsflur trugen, konnte ich die durch die Hitze abgelöste Haut an seinen nackten Beinen registrieren. Ob er überhaupt noch lebte, hatte bislang niemand überprüft, denn ohne Atemschutzgerät war das Klima in der Wohnung absolut lebensfeindlich. Zu giftig die Brandgase. Außerdem wollte man keine kostbare Überlebenszeit für Untersuchungen vertrödeln. Der Patient brauchte Luft. Ich hörte den Funkspruch des zweiten Trupps: «Eine zweite Person gefunden, leblos, Rettungsdienst zum Eingang!»
    Draußen wurde der etwa vierzigjährige Mann vom Rettungsdienst übernommen – und ein Kreislaufstillstand festgestellt. Im Rettungswagen wurde er reanimiert und in die Klinik gebracht.
    Während Dieter in der restlichen Wohnung die Fenster öffnete und sie nochmals unter jetzt guter Sicht inspizierte, kümmerte ich mich weiter um das Wohnzimmer. Bemüht, möglichst wenig Wasser zu versprühen, waren nach ein paar Minuten alle deutlich sichtbaren Flammen gelöscht.
    Auf einmal stand der Löschzugführer hinter mir. «Und? Wie sieht’s aus?», fragte er.
    «Nur noch ein bisschen in den Polstern», antwortete ich. «Ich glaube, in die Zimmerdecke ist nichts reingekrochen, höchstens da vorne am Fenstersturz.»
    «Hm», brummte der Zugführer, «dann schicke ich euch besser noch mal den anderen Trupp zum Öffnen der Decke. Ach, und wundert euch nicht, die Kripo ist da, die Kollegen rennen hier auch gleich rum. Baut also nicht so viel in der Bude um, damit sie den Vorfall nachvollziehen können.»
    Während der Nachlöscharbeiten, bei denen wir nach den letzten Glutnestern fahndeten, begannen die Beamten von der Brandermittlung ihre Arbeit. Sie befragten Dieter und mich, wie wir die Wohnung vorgefunden hatten. Sie untersuchten die elektrischen

Weitere Kostenlose Bücher