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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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Display blinkte die Nachricht: «Alleestraße 20 , Franziska Hermann, Hypoglykämie. BZ 33 . Anrufer: Johanniter.»
    «Aha», sagte ich, während ich mir rasch die Schuhe anzog, «der Herr Johann Nieter braucht Hilfe.»
    «Wie?», fragte Manni, der noch nicht ganz begriffen hatte, was ich meinte, da er die Meldung nicht gelesen hatte. «Wer ruft um Hilfe?»
    «Na, der Hausnotrufdienst der Johanniter! Der dortige Kollege hat wohl eine Frau mit Unterzuckerung gefunden. Angeblich hat sie nur einen Wert von 33 mg/dl», klärte ich ihn auf.
    Ein normaler Glukosewert wäre etwa um 100 mg/dl, daher war zu erwarten, dass die Patientin in ihrem Zustand sehr beduselt war, verwirrt, mit möglichen starken Kreislaufschwierigkeiten. Wir liefen zum RTW , ich schaltete das Blaulicht ein, anschließend fuhren wir zur angegebenen Adresse. In der Alleestraße, einer Geschäftsstraße, parkte für uns sofort erkennbar vor einem verklinkerten Stadthaus das Dienstfahrzeug der Johanniter. In dem Moment, als wir das Treppenhaus betraten, rief uns der Pfleger des Hausnotrufdiensts von oben entgegen: «Im zweiten Stock links!» Zügig stiegen wir die Treppe hinauf und betraten durch die offen stehende Tür die Wohnung von Franziska Hermann.
    «In welchen Raum müssen wir denn?», rief Manfred in den Flur, da der Pfleger längst wieder verschwunden war.
    «Kommt mal hier hinten durch, ins Schlafzimmer», kam es zurück.
    Wir folgten der Stimme bis zum Bett der Patientin. Der Kollege hatte davor seinen Sanitätsrucksack auf den Boden platziert, Blutzucker- und Blutdruckmessgerät lagen auf dem kleinen Nachttisch. Unter einer dicken Federdecke lugte ein silberhaariger Schopf hervor. Vom Gesicht konnte man fast nur die runzelige Stirn und die skeptisch dreinblickenden Augen ausmachen, da sich die etwa achtzigjährige Dame die Decke bis über die Nase hochgezogen hatte.
    «Guten Abend», sagte ich, dann fragte ich den Pfleger: «Was ist denn los?»
    «Die Patientin hatte unseren Hausnotruf mit ihrem Funkarmband ausgelöst, weil sie gestürzt war. Als ich hier eintraf, lag sie aber schon wieder im Bett. Frau Hermann sagt zwar, dass sie keine Schmerzen hat, und auch das Abtasten brachte nichts zutage, was dem widersprechen würde. Aber als ich Blutdruck und Zucker gemessen habe, konnte ich eine Unterzuckerung feststellen.» Der Johanniter-Pfleger erklärte weiter, dass er ja keine medizinische Therapie machen dürfe und er uns darum gerufen hätte, um die Frau in ein Krankenhaus zu bringen.
    Die ältere Dame wagte sich nun etwas weiter unter ihrer Bettdecke hervor, man konnte sogar ihre Nase sehen.
    «Muss ich jetzt mit ins Krankenhaus?», piepste sie leise. Ihr war anzuhören, dass ihr diese Aussicht nicht behagte.
    «Also, für eine Patientin mit Unterzucker sind Sie aber noch ganz schön munter», staunte ich. «Wie geht es Ihnen denn?»
    «Na ja, ganz gut. Ist doch nichts passiert», beschwichtigte sie.
    «Immerhin haben Sie den Notrufknopf gedrückt. Warum sind Sie denn gestürzt? Ist Ihnen schwindelig geworden?»
    Sie verneinte. «Ich bin gestolpert. Im ersten Moment konnte ich nicht wieder hochkommen, aber dann ging es doch. Da hatte ich den Knopf aber schon gedrückt.»
    Manfred schob die Decke beiseite, untersuchte die Patientin nochmals auf Sturzfolgen wie Prellungen, Schürfwunden oder Brüche. Dann deckte er sie wieder zu, die Frau schien tatsächlich keine Schmerzen zu haben und unversehrt zu sein. Da sie mir in ihrem Zustand auch sonst völlig normal vorkam und nicht – wie es bei einer Frau mit einem derart niedrigen Zuckergehalt im Blut zu erwarten gewesen wäre – sehr benommen und desorientiert war, schlug ich Manfred vor, eine Kontrollmessung mit unserem eigenen Glukometer durchzuführen.
    «Der Kollege muss Sie jetzt leider erneut piesacken», bereitete ich die Dame auf die weitere doppelte Untersuchung vor.
    Unter der Decke kam eine kleine Hand mit knöcherigen Fingern hervor, in die Manni ein kleines Loch pikste und die Messung mit einem Blutströpfchen durchführte. «Hmm, 132 mg/dl. Ganz normal …», teilte er mir nach ein paar Sekunden das Ergebnis mit. Das war hinsichtlich des Verhaltens der Patientin schon plausibler.
    «Das ist aber seltsam», sagte ich zum Pfleger, «hattest du eben nicht einen Wert von 33 mg/dl gemessen?»
    «Ja, sicher. Ich weiß auch nicht … Dass die Dame so gut drauf ist, kam mir ja auch etwas komisch vor. Aber was sollte ich machen, das Gerät zeigte 33 mg/dl an?», stammelte er.
    Da war wohl

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