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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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auf das warme Gestrüpp aufpassen. Ich hatte für den Fall, dass sich das Feuer plötzlich zum Inferno entwickelte, das Schippchen am Mann, um die zu frech werdenden Flammen sofort provisorisch niederzuschlagen.
    Als die Leitung stand und Wasser am Strahlrohr war, fanden sich auch einige der nachgerückten Kollegen mit Schaufeln und Hacken bei mir ein, um das Feuer auszugraben. Der Chef der Nebenwache fing an, Kevin, der eifrig umherspritzte, durch die Kamera zu dirigieren. Man kann sich das in etwa wie bei einer ferngesteuerten Wasserpistole vorstellen: «Halt mal da rüber, da ist es noch heiß … nee, weiter links … und jetzt etwas den Hang runter … nein, das war zu tief.» Kevin trug nach und nach gute zwanzig Zentimeter der Humusschicht mit seinem Wasserstrahl ab. Sie floss den Hang hinunter, sodass ich Sorge hatte, gleich würde ein Verkehrsteilnehmer von der unten vorbeiführenden Hauptstraße die Feuerwehr anrufen, um aufgeregt mitzuteilen, dass ein Bergrutsch bevorstand. Glücklicherweise lief aber am Fuße der Anhöhe wohl nicht allzu viel Erde aus dem Wald, denn eine Verkehrsgefährdung wurde nicht gemeldet.
    Parallel zur Spritzaktion gruben andere Kollegen unter Anweisung das Gelände um, damit Kevin anschließend die freigelegten Glutnester ablöschen konnte. Ich hatte den Eindruck, etwas unnütz herumzustehen, und fragte deshalb: «Soll ich da drüben, wo es noch qualmt, nach einem Nest suchen?»
    «Nein, lass mal», meinte mein Wachführer. «Wir sollten nicht anfangen, an allen Ecken gleichzeitig den Boden aufzureißen. Wir haben nur eine Kamera. Und vor der wühlen schon genug Leute.»
    Somit hatte ich nichts anderes zu tun, als mit meiner Schaufel in der Hand aufzupassen, dass uns nicht irgendwelche Wölfe in den Rücken fielen. Zumindest redete ich mir das ein, damit ich mir nicht allzu überflüssig vorkam. Zwischenzeitlich traf über unsere Handfunkgeräte eine Meldung von dem Löschwasser einspeisenden Feuerwehrwagen ein: «Einsatzleiter von LF , kommen! Der Tank ist gleich leer. Wir legen eine Versorgungsleitung zum nächsten Hydranten.» Das hieß, dass die Feuerwehrleute, die bereits die Schlauchleitung in den Wald gelegt hatten, schon wieder Schläuche rollen mussten. Ich hätte die Kollegen – mittlerweile waren etwa fünfzehn Mann am Einsatz beteiligt – dabei gern unterstützt. Aber der Wachführer hatte bestimmt, dass ich auf meine Schaufel aufpassen sollte …
    Nachdem die am Brandort herumstehenden Sträucher und Büsche nasse «Füße» hatten und der Chef der Wärmebildkamera ein gleichmäßiges Grau auf dem Monitor sah (das bedeutete, dass der anvisierte Boden kalt war), konnten wir aufräumen. Nun gut, wenigstens daran durfte ich mich beteiligen.
    Eine Einsatzstelle durch eine Art Schnitzeljagd zu finden, hatte ich bis zu diesem Tag noch nicht erlebt. Hoffentlich wird nicht ein empörter Naturschützer Anzeige erstatten, überlegte ich, weil wir einem westtibetanischen Knubbelholunder die Wurzeln freigespült hatten. Die Einsatzstelle sah nach unserem Abrücken nämlich aus, als hätte dort eine Herde Wildschweine nach Engerlingen gesucht.
    Später dachte ich noch, dass ich eigentlich einen Eintrag ins Verbandbuch der Wache machen müsste: «Einsatz: Flächenbrand. Ein Verletzter durch Sonneneinstrahlung. Verbrannte Platte nach Feuerbewachung bei klasse Wetter und prima Aussicht.»

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    Kapitel 21 Nähen? Nein, danke
    An diesem Wochenende besetzte ich mit Kevin den RTW . Nachdem wir tagsüber einige Notfälle versorgt hatten, ging Kevin gegen dreiundzwanzig Uhr ins Bett. Ich entschied mich, der Mattscheibe unseres Fernsehgeräts noch ein wenig beim Flimmern zuzusehen, bevor ich eine Stunde später den gleichen Weg antrat. Da es in der alten Rettungswagenunterkunft im Krankenhaus nur einen einzigen Ruheraum gab, stellte sich bald heraus, dass es ein Fehler war, Kevin vorausgehen zu lassen. Er schlief mittlerweile. Und weil er an diesem Tag leicht verschnupft war, sägte er den halben Stadtwald um. Mist, dachte ich, das kann jetzt etwas länger dauern, bis ich bei der Lärmbelästigung einschlafe. Ich trat also kräftig gegen sein Bett: «Hey, Motorsägenführer, dreh dich mal um!» Etwas Undeutliches in sein Kissen brummelnd, tat er wie befohlen. Aber kaum hatte ich die Decke über die Ohren gezogen, ging es wieder los. Da musste ich wohl durch.
    Nachdem ich irgendwann doch wegdösen konnte, wurden wir nachts gegen zwei Uhr aus unserem Stand-by-Modus

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