112 - Der tägliche Wahnsinn
soll es kokeln. Seit drei Tagen. Da kommt es jetzt echt nicht auf die Minute an.»
In Ruhe fuhren wir los. Am beschriebenen Waldweg, der nicht befahrbar war und steil einen Hang hinaufführte, mussten wir das Löschfahrzeug zurücklassen und zu Fuß weitergehen. Also nahmen Kevin und ich eine Schaufel, Manfred eine Axt und der Chef die Verantwortung. Hoch motiviert zogen wir los, um uns Arbeit zu suchen. Bei dem tollen Wetter war gegen eine kleine «Wandereinlage» nichts einzuwenden. So trotteten wir durch den beschaulichen Wald, ließen uns von spazieren geführten Hunden anbellen und stellten deren Besitzern die etwas peinliche Frage, ob sie vielleicht ein Feuer für uns gesehen hätten. Wir kamen uns mit den geschulterten Werkzeugen wie die sieben Zwerge vor. Zwar waren wir nur zu viert, aber heutzutage herrscht ja sowieso überall Personalknappheit. Es passte schon. Doch keine der befragten Personen konnte uns weiterhelfen.
Nach über einem Kilometer öffnete sich der Weg in ein Wohngebiet. Das Waldgebiet war hier zu Ende, und wir hatten immer noch kein Feuer gefunden.
«Und nun?», fragte ich den Wachführer. «Sollen wir jetzt einfach wieder abrücken?»
«Nein, so einfach geht das nicht. Ich rufe die Leitstelle an, die sollen sich dort die Aufzeichnung des Notrufs ein weiteres Mal anhören. Vielleicht gibt es noch einen konkreteren Hinweis, den sie überhört haben. Und wenn das nichts bringt, sollen sie die Frau zurückrufen und nachfragen, wo genau die Einsatzstelle sein soll.» Der Chef zog sein Handy aus der Tasche und sprach kurz mit der Leitstelle, die der Sache auf den Grund gehen und uns zurückrufen wollte. Einige Zeit später klingelte das Telefon, und es gab einen ganz heißen Tipp, den die Leitstelle uns nun mitteilte: «Das Feuer soll am Anfang des Weges sein. Etwas unterhalb einer Bank sind drei Stufen, da habe die Anruferin einen Pfeil aus Ästen für euch hingelegt. Sie sagt, da sollt ihr nach rechts ins Gelände.»
«Wie bitte? Schnitzeljagd?» Wir frotzelten vor uns hin.
Manni meinte: «Wenn da nach der Suche aber zur Belohnung kein Snickers unter einem Topf liegt, bin ich beleidigt.»
Und Kevin ließ im Hinblick auf das zu erwartende Gestrüpp in einer Art Baumarkt-Durchsage verlauten: «Herr Behring, bitte zur Macheten-Ausgabe …»
Also wanderten wir den ganzen Pfad mit geschultertem Werkzeug wieder zurück. Und tatsächlich: An der beschriebenen Stelle lag ein Pfeil aus Ästen am Wegesrand, den wir auf dem Hinweg übersehen hatten. Wie spannend!
«So etwas haben wir früher in der Kinderfreizeit auch immer mit Begeisterung gemacht», meinte Manfred kichernd. Wir wussten nicht genau, ob wir staunen oder lachen sollten, als wir uns am Pfeil vorbei ins Gebüsch schlugen.
Abseits des Weges herrschte ein wildes Chaos. Der Waldmeister, der für diesen Forst zuständig war, hatte wohl schon seit längerem Betriebsferien. Vermoderte Bäume lagen kreuz und quer herum, Löcher von irgendwelchen Tierbehausungen verschluckten unsere Stiefel, Äste schlugen nach uns, und hinter dem nächsten Busch ging es steil bergab. Drei Volksdiener und ein Anstaltsleiter stolperten so durchs Unterholz und suchten etwas, das aussah, als wenn es zu heiß sei und einer feuerwehrtechnischen Dusche bedürfte. Wir kletterten über Baumstämme, kämpften uns durch Sträucher und legten uns am rutschigen Hang auf den Hintern. War mal eine richtige Abwechslung zu den üblichen urbanen Gegenden.
Nach einigen Irrungen im Gelände hatte unsere Suche Erfolg: Etwa dreißig Meter von der Zivilisation entfernt qualmte der Wald ruhig vor sich hin.
Kevin bemerkte die Einsatzstelle zuerst: «Da drüben, am Steilhang, steigt Rauch auf. Dort wird es sein.»
Unser Chef seufzte: «Na, das kann ja heiter werden. Hoffentlich ist das nicht viel, was da brennt, sonst müssen wir unser ganzes Gerät quer durch die Botanik schleppen.»
Nach ein paar weiteren Schritten standen wir auf einer kleinen Lichtung. Darauf kokelte ein Flächenbrand von etwa fünf mal acht Metern, der nicht so recht wusste, ob er auflodern oder doch lieber ersterben sollte. Unser Verantwortungsträger schaute etwas skeptisch und bremste uns in dem Drang, sofort mit den Erdarbeiten zu beginnen, um die Glut auf links zu krempeln und somit zu löschen: «Äh, Moment noch, lasst das erst mal in Ruhe liegen. Bevor wir hier alles durcheinanderwühlen, hätte ich gern noch einen Blick mit der Wärmebildkamera drauf geworfen. Brandnester und so … Versteht
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