112 - Der tägliche Wahnsinn
genügt, um sich in der Röntgenabteilung einer Klinik vorzustellen. Zum Glück traf der Pflasterlaster gerade ein, sodass wir uns nicht weiter ärgern mussten. Wir übergaben die Patientin mit einem Grummeln an die Kollegen und meldeten uns bei der Leitstelle wieder frei.
Auf dem Rückweg hörten wir über Funk, wie die Freiwillige Feuerwehr einen Einsatzauftrag erhielt: «Fahrt doch mal in den Lindenweg, dort soll ein Container brennen.» Von der Leitstelle kam kurz danach Info: «Im Lindenweg sollen mehrere Baustellen sein. Sucht mal die ganze Straße ab.» Eine weitere Hiobsbotschaft folgte: «Gebt beim Eintreffen sofort Rückmeldung, dort soll auch eine Küche brennen. Unklare Meldung. Ich schicke euch noch einen Löschzug hinterher.» Im nächsten Moment klingelte am Gürtel unseres Wachführers der Piepser. Wir waren die Verstärkung für die freiwilligen Kollegen. Dieses Jahr übertrieben sie es aber in dieser Straße! Den Lindenweg hatten wir noch in guter Erinnerung – ich sage nur: Studentenwohnheim und tropfender Wasserhahn.
Mit Alarm fuhren wir durch die mit Sprengkörpern beworfenen Straßen zu einer Wohnsiedlung, in der eine Mietkaserne neben der anderen stand. Im Lindenweg selbst sah es etwas unübersichtlich aus: Die Straße stand mit mehreren großen roten und kleinen blauen Autos voll, Dutzende Bewohner hatten sich zum Spektakel eingefunden und diskutierten mit der Polizei über die Freiheit des Bürgers, diesem Happening beiwohnen zu dürfen. Alle fünfzig Meter flackerte ein großer Müllcontainer, und die Freiwilligen, die als Erste eingetroffen waren, betraten gerade das Haus, in dem es im Erdgeschoss in der Küche brannte. Action! Unser Chef war nach den vergangenen Einsätzen geradezu verblüfft über das Szenario. Doch schnell hatte er sich gefangen: «Bei der Küche sind schon zwei Löschfahrzeuge, die kommen klar. Wir fangen mit dem brennenden Sperrmüllhaufen an. Kevin, fahr das Auto an die Seite, sodass die Kollegen, die mit der Drehleiter eintreffen, keine Schwierigkeiten haben.»
Kevin machte die Pumpe klar, Steffen und ich zogen den Schnellangriffsschlauch aus dem Auto und fingen an, den Müll abzulöschen.
Das Feuer in der Küche war zum Glück recht schnell unter Kontrolle, wie wir über den Einsatzstellenfunk hörten: Ein auf dem eingeschalteten Herd vergessener Kochtopf hatte erst selbst Feuer gefangen und dann die Dunstabzugshaube darüber in Brand gesetzt. Außer dem Stolz einiger Gaffer, die auf polizeiliche Anordnung die besten Zuschauerplätze verlassen mussten, war niemand verletzt worden. Die nachrückenden Kräfte suchten sich alle ihren eigenen brennenden «Plastikdeckel», denn mehr als eine dampfende Plastikplatte bleibt von einem Kunststoffcontainer nach einem Feuer meist nicht übrig. Insgesamt mussten in dieser Straße vier Müllcontainer gleichzeitig gelöscht werden. Irgendein Chaot hatte ganze Arbeit geleistet. Wie viele Menschen dadurch gefährdet waren, sollte eines der Feuer auf ein Wohnhaus übergreifen, interessierte den oder die Täter wohl wenig.
Nach etwa neunzig Minuten war die Einsatzstelle «kalt» und wieder geräumt, das Problem übervoller Müllcontainer in dieser Straße gelöst. Wahrscheinlich würde man hier nächstes Jahr auch wieder alles anzünden, was einen Deckel hat.
«Wir können uns ja schon in Bereitschaft stellen», lachte Kevin.
Damit war unsere Silvesternacht überstanden, um drei Uhr konnten wir sie bei Lebkuchen ausklingen lassen.
Bei dieser Gelegenheit: Den Silvestergefahren kann man vorbeugen: die Mülltonnen hinter das Haus schieben, die Werbung aus dem Briefkasten holen und alle Fenster verschließen. Bei längerer Trockenheit sollte man die Blumenkübel auf dem Balkon oder im Vorgarten entweder befeuchten oder ins Haus holen: Schon mehrfach wurden wir zu Schwelbränden auf Balkonen gerufen, weil der Torf unter den Pflanzen kokelte oder auf dem Balkon gelagerte Dinge brannten. Bei Verwendung von Tischfeuerwerk sollte ein Eimer Wasser bereitstehen, mit dem man später auf der Straße auch die Reste eines nachbrennenden Batteriefeuerwerks ablöschen kann, wenn es erforderlich sein sollte. Und Raketen startet man am besten aus den im Verlauf des Abends geleerten Flaschen – die allerdings in einer Getränkekiste stehen sollten, damit sie nicht umkippen. Zu jedem Raketenset sollte eine Kiste KöPi gehören … Vor dem Verlassen des Hauses zum kollektiven Böllern ist es sinnvoll, alle Kerzen und sonstige offene Feuer in der
Weitere Kostenlose Bücher