1128 - Weltraumtitanen
dich mit jemand zu unterhalten, dann ..."
„Wollte dich nur aufheitern", fiel ihm der Lange unbeeindruckt ins Wort. „Ihr laßt nämlich alle umsonst die Köpfe hängen."
Rido war mit seinem Protest noch lange nicht zu Ende, aber Jefros Worte ließen ihn aufhorchen.
„Umsonst?" wiederholte er.
„Richtig, umsonst", bestätigte Jefro.
„Woher hast du das?"
„Von Jasmin."
Das beeindruckte Rido. Wer erstmals von der Einrichtung der Kontracomputer an Bord der Tsunami-Einheiten hörte, der gewann leicht den Eindruck, daß es sich um das Hirngespinst eines überspannten Logikers handelte. Ein Computer, der dem Zentralrechner widersprach und als „advocatus diaboli" quasi mit den Überlegungen der Gegenseite argumentierte. Welchen praktischen Nutzen sollte man daraus ableiten können? Nicht anders hatte Rido Narbonne empfunden, als ihm zum ersten Mal die Idee gekommen war, sich um einen Posten als Mitglied einer Tsunami-Besatzung zu bewerben. Ein halbes Hundert praktischer Einsätze - zumeist Manöver-Fälle, denn im Ernst hatten die Tsunamis seit Seth-Apophis' Zeitweichenoffensive kaum mehr einzugreifen brauchen - hatte ihn eines Besseren belehrt. Der Koko wies auf Fehler in der „geradlinigen" Logik des Bordcomputers hin. Oft entdeckte er Gefahrenmomente, die ohne sein Zutun übersehen worden wären. Im Sonderfall der Tsunami-82 kam noch eine weitere Überlegung hinzu. Jefromo Sargendush war ein Koko-Experte reinsten Wassers.
Er behauptete, eine Art persönlichen Verhältnisses mit seinem Koko entwickelt zu haben.
Der Kontracomputer der T-82 war für ihn nicht nur ein Werkzeug, dessen er sich bei seiner Arbeit bediente, sondern darüber hinaus ein Berater in allen Lebensfragen. Wie ernst Jefro es damit meinte, zeigte sich darin, daß er mehrere profitable Versetzungen und Beförderungen ausgeschlagen hatte, nur um in der Nähe „seiner" Jasmin bleiben zu können.
„Also sag's schon", forderte Rido den Langen auf. „Was hat Jasmin diesmal ausgetüftelt?"
„Sie arbeitet mit einer Art invertierter Katastrophentheorie", antwortete Jefro bereitwillig.
„Ist dir bekannt?"
„Die reguläre", sagte Rido, „nicht die invertierte."
„Also - Jasmin betrachtet die Lage von Vishnas Standpunkt aus. Es ist alles in Ordnung.
Es geht alles so glatt, daß ein Fehlschlag völlig ausgeschlossen erscheint. Die beiden Monstergebilde sind den Terranern maßlos überlegen. Was den Terranern an Widerstandskraft noch verbleibt, ist völlig unerheblich für den weiteren Verlauf des Unternehmens."
Als Jefro eine Pause einlegte, brummte Rido: „Ganz genau richtig. Deswegen sitze ich hier in der Dunkelheit und hänge meiner Trübsal nach."
„Es ist aber ein Fehler in der Überlegung", sagte Jefro. „Es gibt kein einhundertprozentig perfektes Unternehmen. Wenn Vishna sich sicher fühlt, dann übersieht sie etwas. Ihre Strategie enthält eine Schwäche, und die Wahrscheinlichkeit, daß diese Schwäche sich auswirkt, wird um so größer, je weiter das Vorhaben unangefochten fortschreitet."
„Kann sich nur auf die Pseudo-Erde beziehen", meinte Rido.
„Eben nicht. In dieser Hinsicht muß ich dich enttäuschen. Jasmin ist der Ansicht, daß Vishna mit der Pseudo-Erde nicht lange hinters Licht geführt werden kann. Unsere Erlösung kommt von ganz anderer Seite."
„Von welcher?" fragte Rido verwundert.
„Das weiß ich nicht. Irgendein Zufall, irgendeine übersehene Kleinigkeit wird Vishna das Bein stellen. Mehr sagt Jasmin nicht."
Rido lehnte sich tief in seinen Sessel zurück und faltete die Hände über dem Leib. Er starrte zur dunklen Decke hinauf und seufzte.
„Weißt du, Jefromo", sagte er nach längerem Nachdenken, „eigentlich sollte ich wütend auf dich sein, weil du hier hereinkommst, meine Ruhe störst und ein langes Geschwätz von dir gibst, von dem man etwas halten mag oder auch nicht. Aber seitdem ich dir zugehört habe, geht's mir ein gutes Stück besser. Ich hoffe nur, daß deine Jasmin recht hat - und daß die Erlösung kommt, solange die Erde noch existiert."
„Schön", antwortete Jefro, dessen dunkler Stimme man ein gewisses Maß an Freude anhörte. „Wenn ich wenigstens das erreicht habe, dann ist..."
Zwei Dinge geschahen gleichzeitig. Der Orter schlug mit fiependen Lauten Alarm. Und der Hyperkom erwachte. Eine auf menschlich getrimmte Computerstimme erklärte: „Flottenkom an alle Einheiten. Die beiden gegnerischen Einheiten haben begonnen, sich aufzulösen."
*
„Mensch, Jefro!"
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