114 - Der Bucklige von Doolin Castle
gelben Flecken wie von Zahnablagerungen darauf. Sie hatte einen schlaffen Hängebusen, der bis zu ihrem vorgewölbten Bauch hinunterreichte.
„Bist du häßlich, Jonathan!" sagte sie abfällig. „Wenn ich mir vorstelle, daß dein Fleisch so schmeckt, wie du aussiehst, dann dreht es mir den Magen um."
Dorian-Jonathan kicherte, als fühlte er sich geschmeichelt.
„Du siehst auch nicht gerade zum Anbeißen aus", erwiderte er das Kompliment. „Wie heißt du, Menschenfresserin, und wer hat dich erschaffen?"
„Mein Name ist Hyazinth", antwortete die Kannibalin und bleckte ihr schreckliches Gebiß. „Solange ich nur durch Clyde Seilers Romane geistern durfte, war ich bloß drittklassig, aber seit ich zum Leben erwachte, kann ich mich endlich entfalten. Hast du Lust, Jonathan, mit mir einen Abstecher nach Cranasloe zu machen? Das wäre ein Fest!"
„Keine Faxen, Hyazinth!" ermahnte der Gnom sie. „Vergiß nicht, daß uns der Meister aufgetragen hat, auf Jonathan aufzupassen! Und wir werden ein wachsames Auge auf ihn haben."
„Und wer bist du, Zwerg, daß du so große Töne spuckst?" fragte Dorian.
Er überlegte sich bereits, ob er die beiden killen sollte, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, entschied sich jedoch dagegen. Es war besser, sie in Sicherheit zu wiegen, und eine günstige Gelegenheit abzuwarten. Vielleicht konnte er von ihnen einige Informationen erhalten.
„Ich bin Jorgen, der Kinderfänger", antwortete der Gnom. „Aber ich nehme es auch mit schwereren Kalibern auf."
Er drehte sich zur Wand. Plötzlich holte er mit einer Hand aus. Aus seinen grazilen Fingern wuchsen Krallen. Er hieb damit gegen die Wand. Dorian sah, daß die Krallen zentimetertiefe Rillen im Stein hinterließen.
Hyazinth lachte schrill.
„Wenn mir mal die Zähne ausfallen, dann werde ich Jorgen engagieren, damit er mir meine Opfer mundgerecht zerteilt!" rief sie und lachte wieder schrill.
„Mit dir lege ich mich bestimmt nicht an, Jorgen", sagte Dorian, und er war tatsächlich beeindruckt. „Das würde ich dir auch nicht raten", meinte der Gnom selbstbewußt. „Aber jetzt kommt fort von hier! Was hattest du da eigentlich zu suchen?"
Dorian sah eine winzige Chance, den Gnom zu überwältigen. Wenn er ihn in den magischen Kreis lockte und mit ihm fortsprang, würde er die Überraschung des Kinderfängers vielleicht nützen und ihn überwältigen können.
Aber er verpaßte die Chance. Jorgen setzte sich bereits in Bewegung. „Kommt!" befahl er.
Dorian folgte ihm humpelnd und mit schlenkernden Armen. Dabei stampfte er, seiner Rolle getreu, zwischendurch immer wieder auf dem Boden auf und hieb mit den Fäusten gegen die Wände, daß es dröhnte.
Hyazinth lachte hysterisch.
„Was für ein Auswurf du bist, Jonathan! Ehrlich, mit dir würde ich überhaupt nichts anfangen können."
Coco konnte von ihrem Fenster aus die Vorgänge in Cranasloe beobachten. Das ganze Dorf war auf den Beinen. Die Bewohner hatten sich zu Gruppen von vier bis sieben zusammengeschart und durchsuchten jedes Haus gründlich vom Keller bis zum Dachboden.
Cearbhall Croffin's Pub war bisher verschont geblieben. Seit Dorian den Psycho in ihrem Zimmer erledigt hatte und anschließend geflüchtet war, hatten die Iren sie nicht mehr belästigt. Sie hatte ihnen erklärt, daß sie den Psycho erledigt hatte, und das brachte ihr sogar Bewunderung ein. Es hatte genügt, Cearbhall Croffin zu hypnotisieren, damit er nicht darauf bestand, auch die beiden anderen Zimmer zu durchsuchen. Wenn sich die Iren Olivaro genauer besehen hätten, wären sie noch zu dem Schluß gekommen, daß es sich auch bei ihm um einen Psycho handelte.
Den toten Psycho hatte man einfach aus dem Fenster geworfen und anschließend auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Inzwischen brannten an die zehn Scheiterhaufen in Cranasloe.
Coco hätte nie gedacht, daß die Sache so ausarten würde, denn immerhin hatte Dorian den Ys- Spiegel schon vor längerer Zeit eingesetzt; und wenn es stimmte, daß die Psychos auf die unheimlichen Kräfte des Ys-Spiegels zurückzuführen waren, dann trat die Wirkung ziemlich verspätet ein. Spätzündung.
Von der Straße hallte wüstes Geschrei herauf.
Coco blickte hinunter. Alles strömte zu einem Haus. Die Iren schwangen ihre Knüppel. Schüsse ertönten. Coco sah die Mündungsfeuer.
Im obersten Stockwerk des Hauses ging ein Fenster auf. Eine Gestalt erschien darin. Sie sah aus wie ein klassischer Vampir - war ganz in Schwarz gekleidet und trug einen weiten
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