1141 - Die Königin von Avalon
der Welt hatte er sich orientieren können. Es war ihm stets bewusst gewesen, in welch einer Zeit er sich befand. Diese innere Uhr stimmte nicht mehr. McMurdock fühlte sich hilflos, denn er lebte in diesen Momenten allein von der Erinnerung.
Glastonbury, das Tor, die schöne Frau. Seine Verfolger - das alles mischte sich zusammen. Es war ihm nicht mehr möglich, die Stücke der Erinnerung zu einem Bild zusammenzusetzen, das Sinn machte.
Am besten erinnerte sich der Schotte an den seelischen Druck und die Angst, die er in den letzten Augenblicken vor seiner ungewöhnlichen Reise erlebt hatte.
Ja, er war gereist. Das stimmte alles. Er war auch an seinem Ziel angekommen, und er musste dafür einer bestimmten Person dankbar sein. Er hatte sie nur einmal gesehen, und dies auch nicht sehr lange. Doch ihr Aussehen hatte sich in seinem Gedächtnis eingeprägt und würde auch so leicht nicht gelöscht werden.
Ohne großartig an sich selbst zu denken, holte er sich das Bild zurück. Eine Frau wie eine Königin.
Groß und sehr stolz hatte sie ihn im Tor erwartet, um ihn nach Avalon zu holen.
Das blaue, enge Kleid, die wallenden Haare in einem braunroten Schimmer. Das ausdrucksvolle Gesicht mit Augen, in denen ein immenses Wissen zu liegen schien.
Er kannte sie nicht. Er wusste nur über ihre Stärke Bescheid, und er war ihr auch dankbar, denn ohne sie wäre sein Schicksal besiegelt gewesen. Da hätte er nie diese Welt erreicht, die für ihn eine rettende Insel war und zugleich die Fremde.
Jetzt war die Frau nicht mehr da. Und auch nicht zu spüren, denn das hätte McMurdock gemerkt, der sich wie verloren in der Fremde vorkam und sich zunächst orientieren musste.
Es gab die Dunkelheit nicht mehr, keine Bedrohung. Es war eine Umgebung, die er als Traumland bezeichnen würde. Die Ruhe, die Sanftheit der Natur, die sich ihm nur allmählich öffnete, weil er seine Augen recht lang geschlossen gehalten hatte.
Die weiche Sonne ergoss ihre Strahlen über eine breite Fläche aus Hügeln und Gras. Dessen Spitzen bewegten sich im sanften Wind, als würden sie gekämmt. Kein Dunst oder Nebel schränkte seinen Blick ein. McMurdock konnte über das Land hinwegschauen bis hin in die Ferne, wo sich der Horizont senkte und der Untergrund in die Höhe zu steigen schien. Dort schien das Paradies an seine Grenzen zu stoßen, denn für dieses Land fiel ihm beim ersten Nachdenken nur der Begriff »Paradies« ein.
Aber war es wirklich so fremd?
Dean wollte es nicht glauben. Im Rückblick fiel ihm ein, dass es mehr eine bekannte Fremde war. Er befand sich nicht zum erstenmal in diesem Garten Eden. Vor langer, langer Zeit war es ihm schon einmal gelungen, dieses Land zu erreichen.
Damals. In einer Zeit, als er das Herz vor dem Zugriff des Schwarzen Tods gerettet hatte. Da war er es gewesen, der das Herz hierher hatte bringen müssen. Als großer Bote eines Mächtigen, der von den Menschen als himmlischer Heerführer bezeichnet wurde.
Bei diesem Gedanken legte er den Kopf zurück und richtete seinen Blick automatisch gegen den Himmel, dessen Farbe ihn überwältigte, weil er sie von der Erde her nicht kannte oder nur ganz selten so gesehen hatte. Sie war von einem wunderbaren Blau. Licht und leicht, trotzdem intensiv. So einen Farbton konnten Menschen nicht schaffen, und die Natur auch nur aus einer wundersamen Laune heraus, die nicht jeden Tag vorkam.
Vergeblich hielt er nach Wolken Ausschau. Nicht der leichteste Streifen störte die sanfte Bläue. Die Strahlen der Sonne kamen ihm goldener vor als auf der normalen Welt. McMurdock kramte in seiner Erinnerung, ob es damals auch so gewesen war und er von den gleichen Gefühlen durchdrungen gewesen war. Es lag zu lange zurück. Er konnte sich nicht mehr erinnern.
Das tiefe Atmen tat ihm gut. Mit jedem Zug schien neue Kraft in seinen Körper zu strömen, so dass er sich so leicht und frei fühlte wie ein Vogel am Firmament. Es gab keine Gefahr. Seine drei Verfolger hatte er vergessen, und diese Welt hatte sich ihm geöffnet wie ein mit Wundern gefüllter Koffer.
Dean reckte seine Arme. Er dachte nicht mehr an seine Schwäche, die ihn innerhalb und auch außerhalb des Tores so angreifbar gemacht hatte. Vor ihm lag ein neuer Teil seines Lebens, und das auf einer Insel oder auf einem Land, das den geheimnisvollen Namen Avalon trug. Insel der Äpfel und Insel der Nebel, die er allerdings nicht zu Gesicht bekam, denn sie schwebten weder am Boden noch in der Höhe.
Um ihn herum erhoben sich
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