1141 - Die Königin von Avalon
hinterlassen hatte?
Er glaubte es. Auch zu der damaligen Zeit war die Insel nicht nur von der Natur besetzt gewesen.
Dunkel konnte er sich an Gestalten erinnern, die tot waren, aber trotzdem irgendwie lebten, als hätte man sie in einen tiefen Schlaf versetzt. Männer, die es geschafft hatten, Legenden um sich herum zu bilden. Kämpfer an der Seite eines Königs, der auf den Namen Artus hörte.
Ritter der Tafelrunde…
Da war die Erinnerung wieder, und Deans Gesicht hellte sich noch mehr auf. Er wusste nun, wohin er musste, und er war sich auch sicher, die geheimnisvolle Frau dort zu finden.
Und so glitt er weiter. Ein geheimnisvoller Antrieb brachte ihn näher an die alte Burg heran. Er sah die braunen Mauern. Er nahm keine Spur von Leben wahr. Nichts bewegte sich hinter den Mauern. Er hörte weder Stimmen noch Musik. Das Gemäuer lag unter einer tiefen Glocke des Schweigens begraben.
Trotzdem war er nicht allein. Die Person war plötzlich erschienen, und er wusste nicht, ob sie von der Burg her gekommen war oder nicht.
Aber er kannte sie. Es war genau die Frau, die ihn vor den drei Verfolgern gerettet hatte. Auch jetzt sah jede ihrer Bewegungen so sicher aus. Sie bewegte sich in dieser Welt, als gehörte sie schon von Beginn der Zeiten dazu.
Sie hatte ihn auch gesehen. Der kurze Blick in die Höhe hatte ausgereicht. Im Lauf stoppte sie ihren Schritt und winkte ihm mit der rechten Hand zu.
Er wäre auch so nicht an ihr vorbeigeflogen, und so senkte er sich in einem weiten Bogen dem Grund entgegen, wo die Unbekannte auf ihn wartete. Etwa drei Schritte vor ihr berührten seine Schuhe das Gras, das an dieser Stelle weniger dicht wuchs und von einem schmalen Streifen durchzogen wurde, der durchaus den Namen Pfad verdiente.
Sie lächelte ihn an. Er lächelte zurück.
Obwohl beide noch kein Wort miteinander gewechselt hatten, spürten sie schon in den ersten Sekunden, dass sie sich gesucht und gefunden hatten. Es hatte sich das unsichtbare Band der Sympathie zwischen ihnen beiden aufgebaut.
Dean McMurdock wusste sehr gut, dass er sich bei dieser fremden Person bedanken musste. Er deutete so etwas wie eine Verbeugung an und sagte mit leiser Stimme: »Nun sehe ich meine Lebensretterin zum zweitenmal, aber ich kenne nicht ihren Namen«
»Ich heiße Nadine - Nadine Berger…«
»Und du lebst hier in Avalon?« fragte er.
»Ja, es ist zu meiner Heimat geworden.«
Dean lächelte. Auch aus Verlegenheit, denn er wusste nicht, was er antworten sollte.
Sie wollte ihm helfen und sagte: »Ich bin aber nicht hier geboren und lebe erst eine gewisse Zeit in Avalon. Doch es ist wunderbar. Ich werde hier bleiben. Hier habe ich alles, was ich brauche. Ich bin wieder ein Mensch.«
»Das sehe ich«, sagte er leise. »Aber bist du nicht trotzdem mehr, Nadine?«
»Vielleicht.« Sie lächelte ihn wieder an. »Aber dir ergeht es nicht anders, denke ich.«
»Weißt du das genau?«
»Ich kann es spüren.«
»Was kannst du spüren?«
»Dass du mehr als ein normaler Mensch bist. Ich habe dich beobachtet. Ich sah, wie du dich vom Boden erhoben hast und geflogen bist wie ein Vogel. Ein Mensch, der den Gesetzen der Natur trotzt, der kann nicht so normal sein. Das spürte ich bereits, als du in das große Tor hineingetreten bist.«
Dean lächelte verloren. Er wollte seine ganze Geschichte nicht loswerden. Er nannte seinen Namen, sah, wie Nadine nickte, und fügte mit leiser Stimme hinzu: »Ich bin ein Mensch, der Generationen kommen und gehen sah. Ich lebe seit Hunderten von Jahren. Ich war jemand, der zum inneren Zirkel der Heiligen Johanna gehörte, doch ich habe nicht verhindern können, dass sie auf dem Scheiterhaufen endete. Selbst ihr großer Beschützer, der Erzengel Michael, hat es nicht geschafft. Aber es gelang mir, ihr Herz zu retten, bevor die Kräfte der Hölle danach greifen konnten. Durch die Kraft des Engels habe ich den Kampf gewonnen, und sie ist es, die mich auch am Leben lässt. Als Beschützer des Herzens einer Jungfrau, die von den Menschen heiliggesprochen wurde. Viele wollen das Herz in ihre Gewalt bringen. Vor uns liegt ein neuer Zeitabschnitt, ein Jahrtausend beginnt. Für viele ist es eine Wende, und da gibt es eine Gruppe, die noch in den letzten Tagen einen großen Sieg erringen will. Das Herz der Heiligen Johanna ist ein Trumpf. Es konnte nicht verbrennen und auch nicht verkohlen, und das Feuer hat es auch nicht geschafft, ihm das Leben zu nehmen, denn es existiert weiter, ich weiß es.«
Nadine
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