1141 - Die Königin von Avalon
dorthin hätte zu lange gedauert. So hatten Suko und ich den Weg über Glastonbury gewählt, einem Ort in Somerset, der auch das englische Jerusalem genannt wurde.
Außerhalb dieser Stadt stand auf einem flachen Hügel ein Tor. Wenn man hineinschritt und würdig genug war, dann konnte man nach Avalon gelangen. Sicher war es nie. Man konnte es auch normal durchschreiten und die Welt auf der anderen Seite ohne Veränderung sehen. Ich kannte mich aus, war einer der wenigen Menschen, die von Avalon akzeptiert wurden.
Dort lebte jemand, den ich gut kannte. Nadine Berger, eine Ex-Schauspielerin, hatte dort ihre zweite Heimat gefunden. Sie war nicht immer nur ein Mensch gewesen. Für eine Weile hatte sie als Wolf gelebt und war zur Beschützerin meiner Freunde, der Conollys, geworden, besonders für deren Sohn Johnny.
Aber als Mensch ging es ihr besser, und sie war auch so etwas wie die Hüterin des Dunklen Grals, einer mächtigen Waffe, die ich nach vielen gefährlichen Irrwegen in meinen Besitz gebracht hatte.
Darüber hatte ich mich nicht lange freuen können. Jetzt hatte der Dunkle Gral seine neue Heimat in Avalon gefunden, unter anderem bewacht von Nadine Berger.
Die Bilder meines Traums vermischten sich. Ich sah nicht nur Dean McMurdock, wie er durch die Luft schwebte, aus dem dunklen Hintergrund löste sich eine Frauengestalt mit braunroten Haaren, die ihre Arme weit ausgebreitet hatte, um mich zu empfangen. Sie wollte mir andeuten, wie willkommen ich ihr war, und auf ihrem Gesicht lag ein wunderbares Lächeln, das mich noch zusätzlich antrieb, so schnell wie möglich zu ihr zu gelangen.
Ihr Gesicht schwebte dabei näher, immer näher und nahm eine gewaltige Größe an. Es überschattete alles, aber mir entging auch nicht der ernste und warnende Ausdruck in ihren Augen, als wollte sie mir davon abraten, den Weg weiterzugehen.
Etwas riss mich aus meinen Träumereien. Suko hatte den Rover hart gestoppt, und ich war in den Gurt gepresst worden. Ein etwas plötzliches Erwachen. Der Weg aus dem Traum hinein in die Realität war für mich nicht sofort nachzuvollziehen, so dass ich mich noch ein wenig benommen fühlte.
Rechts neben mir hörte ich Sukos Lachen. »Wir sind übrigens da, mein Lieber.«
Ich schüttelte leicht den Kopf und rieb mir die Augen. »Musste das denn sein?«
»Träum weiter.«
Ich schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr, aber du hast recht, ich habe geträumt.«
»Von wem denn?«
»Von unserem Fall.«
Mein Freund seufzte. »Kann ich mir denken. Andere träumen von schönen Frauen und…«
Ich löste den Gurt und blickte Suko dabei grinsend an. »Wer sagt dir denn, dass ich nicht von einer schönen Frau geträumt habe? Zumindest erschien sie mir im Traum. Es war Nadine Berger.«
»Gratuliere.«
»Danke, aber nicht neidisch werden.«
»Solange du nur davon träumst…«
Grinsend stieß ich die Tür auf und verließ den Rover. Ich wollte in der klaren Luft richtig wach werden und zog auch ein paar gymnastische Übungen durch.
Es stimmte. Wir hatten Glastonbury erreicht. Ein Ort, der in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt hatte. Er war zu einer Pilgerstätte der Esoteriker geworden, die hier ihre Erleuchtung finden wollten, weil sie davon ausgingen, dass sie sich am Schnittpunkt zweier Welten befanden.
Da hatten sie recht, aber beileibe nicht jedem gelang es, auch einen Blick in die andere Welt zu werfen, in der die alten Legenden und Geschichten zur Wahrheit geworden waren.
Zuerst wunderte ich mich darüber, dass der Ansturm an diesem Tag ausgeblieben war. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, eine überfüllte Stadt zu erleben, die auf Grund des Besucherandrangs gewachsen war und auch einen gewissen Bauboom erlebt hatte. So waren Pensionen, kleine Hotels und auch zu mietende Häuser gebaut worden, um die Pilgermassen aufzunehmen. Man konnte auch zelten oder in Wohnwagen schlafen, denn diese Plätze gab es ebenfalls.
Ich hatte wirklich mit mehr Betrieb gerechnet, gerade weil die Jahrtausendwende bevorstand, doch Glastonbury lag unter einer Glocke der Ruhe, die möglicherweise trügerisch war, wie so vieles in dieser kleinen, aber sehr legendenträchtigen Stadt.
Der große Ansturm würde erst nach Weihnachten erfolgen. Zwischen den Tagen. Erst musste das Fest vorbei sein, auf das man sich auch in Glastonbury vorbereitet hatte, denn schon beim ersten Blick waren mir die Tannenbäume aufgefallen, die an verschiedenen Stellen der Stadt aufgebaut waren und sich auch
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