1141 - Die Königin von Avalon
man oft ein Nichts. Das sollte vielen, die sich für so groß halten, immer wieder klargemacht werden.«
De Salier war ebenfalls dieser Ansieht. Er hielt sich allerdings zurück und war froh, dass sich der Abbé entspannte.
Es schien Bloch gut zu gehen. Der Sessel hatte ihn akzeptiert.
Wenn der Sessel seine gesamte Kraft entfaltete, dann sorgte er dafür, dass die Person, die auf ihm saß und etwas Bestimmtes sah, es auch schaffte, dorthin zu gelangen. Er holte sich denjenigen und stellte die Gesetze der Physik auf den Kopf. Er war zugleich so etwas wie eine mit Magie gefüllte Maschine zur Zeitreise, die es mit Leichtigkeit schaffte, Dimensionsgrenzen zu überwinden.
Godwin beobachtete das Gesicht des Templer-Führers. Er schaute genau hin, und er sah jede Regung dort. Er wollte ablesen, wie es ihm ging. Bisher war der Ausdruck friedlich gewesen, sogar recht entspannt, was sich nun änderte.
Bloch verkrampfte sich. Er schloss seine Hände noch fester um die Knochenlehnen. Er riss den Mund auf und saugte die Luft ein, während er zugleich auch die Augen weit öffnete.
Sein Atem nahm an Hektik zu. Das Gesicht rötete sich, aber der Sessel reagierte nicht so, wie man es eigentlich von ihm hätte erwarten können. Er holte den Abbé nicht in eine andere Zeit und auch nicht in ein anderes Land.
De Salier wollte ihn fragen, was er durchlitt, aber Bloch schüttelte schon vor der Frage den Kopf. Er wollte keine Antwort geben.
Der Atem drang noch hektischer aus seinem Mund. Bloch krümmte den Körper nach vorn, dann löste er die rechte Hand von der Sessellehne und tastete mit den Fingern nach seinem jüngeren Freund.
De Salier griff sofort zu. Die Hand war schweißnass. Sie zitterte auch. Godwin fragte sich, ob es richtig war, den Abbé auf dem Knochensessel sitzen zu lassen, wo er sich quälte.
Aber noch hatte er sich nicht beschwert. Er war hart. Er konnte einstecken. Das Leben hatte ihn gestählt, und auch jetzt gab er sich nicht auf.
De Salier hätte gern gewusst, welche Eindrücke den Führer der Templer durchdrangen. Er sah vielleicht mehr als er. Wahrscheinlich hatten sich ihm schon andere Welten geöffnet, und Godwin spitzte die Ohren, als die ersten, geflüsterten Kommentare aus dem Mund des Templers drangen.
»Ich spüre dich, Godwin. Ich spüre deine Hand, aber ich spüre noch mehr, nein, ich sehe es.«
»Was?« Die Frage platzte heraus.
Bloch bewegte sich unruhig hin und her. Das Kissen rutschte über die blanken Knochen hinweg. Mit den Füßen schabte er über den Boden.
»Avalon…«
»Du siehst es?«
»Ja.«
»Was noch?«
»Sie sind da. Sie sind da. Ich sehe Nadine, ich sehe einen Mann bei ihr und ich sehe das Herz der Heiligen Johanna…«
Jetzt wurde auch der Körper des jüngeren Templers von einem Schauer überdeckt…
***
Nadine Berger hatte den Besucher an die Hand genommen wie ein kleines Kind und war mit ihm losgezogen.
Avalon gehörte ihr. Sie kannte sich aus. Sie war die Königin in diesem Land, und sie ließ sich durch nichts beirren. Sie ging ihren Weg immer bis zum Ziel, und das würde auch in diesem Fall so bleiben, denn nichts in dieser Welt war ihr verschlossen.
So hatte sie ihn weggeführt. Sie waren durch die Hügel gegangen, aber nicht hin zur Burg, und der Mann aus der Vergangenheit hatte alles wie im Traum erlebt, vor dem er sich nicht zu fürchten brauchte. Die Berührung durch die Königin von Avalon hatte ein großes Vertrauen geschaffen, und er fühlte sich in dieser Welt wohl, auch wenn sie sehr bald schon ihr wunderbares Licht verlor und von Düsternis überschwemmt wurde.
Sie waren an den Resten einer alten Ruine angelangt. Es lagen dort Steinbrocken in verschiedenen Größen auf dem Boden, und nicht alle waren überwuchert worden.
Und es gab eine Treppe, die in das Erdreich hineinführte. In eine große Höhle.
Auch jetzt hatte Dean McMurdock den Eindruck, nicht in der Wirklichkeit zu sein. Er war in dieser wunderbaren Welt gefangen und konnte sich nur auf Nadine verlassen, die sich leicht zu ihm beugte und ihr Gesicht zu einem Lächeln verzog.
»Wir sind dicht vor dem Ziel, mein Freund.«
McMurdock wusste zunächst nicht, was er darauf erwidern sollte. Aber das Wort Ziel ging ihm nicht aus dem Kopf, und so fragte er sich, ob es auch das Ziel war, das er damals erreicht hatte und wo das Herz der Jungfrau seinen Platz gefunden hatte. Er wusste es nicht mehr. Es konnte, doch es musste nicht sein.
»Freust du dich nicht? Bist du nicht glücklich
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