1141 - Die Königin von Avalon
Vorhang. In dieser Gruft gab es keinen Hass. Hier gab es keinen Krieg. Hier saßen die, die oft genug in ihrem Leben Schicksal gespielt hatten und nun auf das Ende der Welt warteten, Aber waren sie wirklich tot? Das konnte McMurdock nicht genau sagen.
Er konzentrierte sich wieder auf die Stimmen, nachdem er sich umgeschaut hatte. Sie waren nicht verschwunden. Sie wisperten. Sie umflorten ihn. So geheimnisvoll und rätselhaft. So weit entfernt und zugleich doch so unwahrscheinlich nah, als würden sie ihn berühren und geisterhaft an seinem Körper entlang streichen.
McMurdock hatte vieles gesehen. Er hatte sich auch von allem beeindrucken lassen, aber das wichtigste hatte er nicht entdeckt. Den Grund, weshalb er überhaupt hierher gekommen war.
Wo befand sich das Herz der Heiligen Johanna?
Es war nur ein Gedanke von ihm, aber Nadine Berger hatte diesen Gedanken empfangen wie eine normal gestellte Frage. »Keine Sorge«, sagte sie leise. »Das Herz der Jungfrau ist nicht zerstört worden. Du wirst es bald sehen.«
»Dann ist es hier?«
»Ja, und es ist in guter Obhut, denn die Ritter der Tafelrunde bewachen es. Auch wenn sie tot sind, schaffen sie dies, denn hier ist alles anders als in der normalen Welt. Es ist ein Ort der Sehnsucht und zugleich des Friedens und der Ruhe.«
»Wann darf ich es sehen?«
»Keine Sorge, es wird nicht mehr lange dauern. Dann wirst du erleben, dass auch die Erinnerung zur Tatsache werden kann. Gib mir deine Hand, Dean.«
Gern ließ McMurdock sich von ihr führen. Es war kaum etwas zu hören, als die beiden durch das Licht gingen.
Der Schotte hatte den Kopf gedreht. Er musste einfach in die skelettierten Gesichter der toten Ritter der Tafelrunde hineinschauen, und sie kamen ihm jetzt nicht mehr so schlimm vor. Er hatte sich daran gewöhnt, denn sie gehörten einfach dazu. Sie waren ein Stück spektakulärer Geschichte, und dazu zählte er sich auch. Als Rächer des Engels fühlte er sich nicht mehr. Hier kam der Gedanke an Rache erst gar nicht auf. Es war eben das Refugium, wie er es auf seinem langen Weg durch die Jahrhunderte nie zuvor erlebt hatte.
Die Höhle war recht groß. Je weiter sie gingen, um so mehr bekam er zu Gesicht. Er sah die alten Waffen der Ritter, die in einer Nische ihre Plätze gefunden hatten, als sollten sie jeden Augenblick abgeholt werden. Schwerter, Lanzen, Hellebarden und Keulen. Auch Schilde und Kettenhemden befanden sich dort, aber nicht das Herz der Heiligen Johanna. Die Ritter der Tafelrunde blieben hinter ihnen zurück. Aber das Licht begleitete sie noch immer, und so konnte McMurdock auch das kleine Podest erkennen, das Ähnlichkeit mit einem Altar aufwies.
Es hatte seinen Platz im Hintergrund der Höhle, wo das Licht schwächer war. Nadine Berger brauchte ihm nichts zu erklären. Als sie stehen blieb, wusste Dean sehr genau, dass sie das Ziel endlich erreicht hatten.
Sie ließ ihn los.
Seine Arme kamen ihm plötzlich schwer vor. Die Stimmen der Unsichtbaren umsummten ihn, als wollten sie ihm etwas mitteilen. Er war ein wenig irritiert, denn diese Stimmen waren anders.
Auch Nadine merkte, wie durcheinander ihr Begleiter war. Sie versuchte es mit einer Erklärung. »Es sind andere Stimmen als diejenigen, die du vorhin gehört hast.«
»Welche sind es denn?«
»Die Geister der Getreuen. Verstehst du?«
Sie schaute ihn an, und er blickte ihr ins Gesicht. Er bemerkte den Ausdruck der Veränderung und dabei den zwingenden Blick ihrer Augen, als wollte sie ihn damit hypnotisieren.
Er ahnte die Antwort, aber sie war zugleich auch zu phantastisch, als dass er sie hätte aussprechen können.
»Sag du es bitte…«
Nadine Berger lächelte. Sie streichelte seine Wangen und spürte dabei die Hitze der Haut. »Du hast zu ihrer Garde gehört. Du und die anderen, ihr habt der Jungfrau Treue bis über den Tod hinaus geschworen. Ist es nicht so?«
»Ja, das war unser Schwur.«
»Fühlst du dich an ihn gebunden?«
»Über den Tod hinaus.«
»Und so ist es auch den anderen ergangen. Du bist der einzige Überlebende. Alle anderen Mitglieder der schottischen Garde sind verstorben. Die meisten kamen im Kampf um. Andere haben schwere Foltern über sich ergehen lassen müssen, als man sie fasste. Aber sie haben ihre Herrin nicht verraten, und auch im Tod halten sie sich noch an diesen Schwur. Denn sie sind auch jetzt noch vorhanden, um immer in der Nähe des Herzens zu sein. Verstehst du?«
McMurdock schaute zur Decke hoch, und dann nickte er. »Ja, ich
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