1142 - Piraten-Terror
noch gehofft, dass es letztendlich explodieren würde, so musste sie sich eingestehen, dass es stärker war als das Feuer. Stärker als dieses wahnsinnige Element, das sonst alles zerstörte. Dem gewaltige Vegetationen zum Opfer gefallen waren, aber nicht das Gemälde, das sie aus einem Keller geholt hatte.
Laura hatte das Gefühl, auf schwankendem Boden zu stehen, dass sich der Brandherd veränderte und aus dem Feuer eine Säule wurde, die sich gegen den dunklen Himmel reckte. Das war wohl nur Einbildung, denn als sie wieder einigermaßen normal schauen konnte und sich auch besser fühlte, da stellte sie fest, dass der Holzstapel normal brannte, das Bild noch immer im Mittelpunkt stand, aber nicht vom Feuer erfasst wurde.
Nach wie vor flogen die Funken, Einige wehte der Wind gegen ihre Gestalt. Sie spürte sie auf der Gesichtshaut. Es war jeweils eine kurze, heiße Berührung, nicht mehr, denn jedes Teilchen blieb als Ascherest kleben.
Plötzlich merkte sie, wie die Tränen in ihr hochstiegen und das Wasser dann die Augen verließ. Sie wusste selbst nicht, warum sie weinte, es war einfach so, und sie konnte nichts dagegen unternehmen.
Enttäuschung, aber auch Wut hatten sich in ihr aufgestaut. Das Wissen, eine Niederlage eingesteckt zu haben, kam noch hinzu.
»Er ist stark. Er ist sehr mächtig. So kann man ihn nicht vernichten, gute Frau!«
Laura schrie auf. Sie hatte sich die Stimme nicht eingebildet, soweit war sie noch nicht.
Blitzschnell fuhr sie herum.
Vor ihr stand eine Frau!
Laura wusste nicht, wo die Frau so plötzlich hergekommen war. Aus der Luft, aus dem Boden, einfach nur gegangen, in diesen Augenblicken war eigentlich alles möglich.
Die Frau stand vor ihr, ohne sich zu bewegen. Sie starrte in Lauras Gesicht, sie sagte nichts, und auch Laura war nicht in der Lage, ein Wort zu sagen.
Vom Himmel gefallen war die Person bestimmt nicht. Sie musste sich hinter Lauras Rücken angeschlichen haben.
In ihrem Gesicht bewegte sich nichts. Nur der Widerschein des Feuers ließ ein Spiel aus Schatten und Licht über die Züge tanzen.
Es war eine Frau in mittleren Jahren. Sie machte keinen fröhlichen Eindruck. Auf ihrem Gesicht lag kein Lächeln. Sie blieb stehen wie eine Kerze und hatte die Hände in die Taschen ihres langen Mantels geschoben. Kein Lächeln umschmeichelte die blassen Lippen. Kein Leben in den Augen, ihr Blick blieb starr auf Laura gerichtet und glitt zugleich an ihr vorbei.
Laura fing sich. »Wer… wer… bist du?«, fragte sie mit leiser Stimme.
»Ich heiße Matilda.«
Laura schüttelte den Kopf und hob die Schultern. Mit diesem Namen konnte sie nichts anfangen. Sie wollte die Fremde um eine Erklärung bitten, doch Matilda kam ihr zuvor.
»Du wirst nicht schaffen, was du vorhast«, erklärte sie mit leiser Stimme, die soeben mal das Prasseln des Feuers unterbrach. »Wenn er will, ist er stärker…«
Laura hatte begriffen. Trotzdem fragte sie: »Sprichst du von Colyn Dolphyn?«
»Nur von ihm.«
»Aber er ist…«
»Willst du tot sagen?«
»Ja.«
»Glaubst du auch daran?«
»Nein. Oder ja. Ich weiß nicht.« Laura war durcheinander.
Matilda nickte und lächelte ihr zu. »Viele wünschen sich, dass er tot ist. Aber es bleibt beim Wunsch. Je näher die Wende rückt, umso stärker wird er. Du kannst dich darauf verlassen. Ich kenne ihn gut. Er ist sehr grausam. Er will nicht im Strom der Zeiten verschwinden. Er kehrt immer zurück. Schon vor hundert Jahren war das so und auch schon vor zweihundert Jahren. Bisher hat niemand den Fluch zerstören und seine Rückkehr verhindern können. Deshalb haben die Menschen Angst. Sie kennen die alten Geschichten noch. Sie fürchten sich davor, wenn sie seinen Schatten durch den Ort huschen sehen. Dann bewegt er sich lautlos wie ein gieriges Monster, das alles in sich hineinfrisst, was sich ihm in den Weg stellt. Jeder muss sich vor ihm hüten, wenn er auf Raubzug geht.«
»Ich kenne die Geschichte gut genug«, sagte Laura. »Ich habe über sie gelesen, aber ich will es nicht wahrhaben. Das ist Vergangenheit.«
»Ja und nein. Sei ehrlich. Ist es wirklich Vergangenheit?«
»Nein, doch… ich weiß es nicht mehr.«
»Du hast es trotzdem geglaubt - oder?«
Laura blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.
Matilda lächelte wieder. »Siehst du, meine Liebe, so ist es dann gekommen. So und nicht anders. Du schaffst es einfach nicht, dich davon zu lösen. Wie heißt du?«
»Laura Watson.«
»Sehr schön, Laura. Du bist eine sehr mutige
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