1144 - Der Rächer aus dem Morgenland
landete.
An seine Befreiung hatte er nie richtig geglaubt. Es war trotzdem passiert, und von diesem Tage an hatte er sich nur dem großen Baphomet gewidmet. Er war wieder in seine Heimat zurückgekehrt, in der er als Held verehrt wurde. Seine Familie baute aus Dankbarkeit eine Kirche, und seine geschnitzte Gestalt über dem Altar bildete den Mittelpunkt.
Edward selbst hatte die Kirche nicht betreten. Am Tage der Einweihung hatte er sich dann mit seiner ehemaligen Geliebten getroffen. Lucy hatte von ihm verlangt, mit ihm zusammen in die Kirche zu gehen, um zu zeigen, zu wem sie gehörte.
Soweit war es nicht gekommen. Die Macht des Dämons und die Dankbarkeit ihm gegenüber waren stärker gewesen.
Er hatte Lucy getötet!
Danach war er verschwunden, um dem Dämon zu dienen. Doch die Tötung des Mädchens war ein Fehler gewesen. Von diesem Zeitpunkt an fühlte er sich verfolgt. Nirgendwo fand er seine Ruhe. Er irrte durch das Land, er fuhr über das Meer. Er suchte Verbündete, aber alle wiesen ihn ab, als wäre er mit einem Makel behaftet.
So fraß ihn die Einsamkeit fast auf. Als er Jahre später wieder auf die Insel zurückkehrte, tat er es nur, um zu sterben. Die Rüstung ließ er an, als er den Giftbecher bis zum Grund leerte und sich dann zum Sterben niederlegte.
Auch das war nicht so einfach. Der mächtige Dämon im Hintergrund sah sich durch diese Aktion betrogen, und er sorgte durch seine Kraft dafür, dass Edward Estur seine Ruhe nie mehr zurückfand.
Er war gezwungen, sein Schicksal immer und immer neu zu erleben, und er hatte jetzt wieder eine junge Frau gefunden, die ihn so stark an Lucy erinnerte, die er trotz allem nie vergessen hatte.
Viel Zeit war vergangen, und die Veränderungen waren wie ein gewaltiger Sturm über die Welt hinweggefegt und hatten auch die Isle of Wight nicht ausgelassen.
Es gab die Burg der Esturs nicht mehr wie er sie kannte. Es standen nur die Ruinen. Trotzdem waren seine heimatlichen Gefühle nicht gestorben, und so wollte er an diesem Ort wiederholen, was er schon einmal getan hatte.
Er war mit Peggy Shaw dorthin gelangt, und das Mädchen selbst wusste nicht, wie ihm geschah. Es erwachte wie aus einem wundersamen Traum und trat aus einer fremden Atmosphäre hinein in die bekannte.
Dunkelheit umgab sie. Peggy spürte den Wind, auch die Kühle. Jetzt war ihr klar, dass sie sich wieder in der normalen Welt befand.
Der Kreuzfahrer stand nicht weit entfernt. Er hatte das Visier seines Helms in die Höhe geschoben und sein knochiges Skelettgesicht auf Peggy gerichtet.
Hinter ihm bildeten die noch stehenden Mauern eine düstere Kulisse. Es gab auch nur wenig Licht.
Der Mond war nicht voll, die meisten Sterne verbargen sich ebenfalls hinter den Wolken, und so war die einzige Lichtquelle nur der grünliche Schimmer, der aus den Lücken der Rüstung glitt und den Kreuzfahrer umwehte.
Peggy wusste nicht genau, wo sie stand. Möglicherweise auf dem ehemaligen Burghof. Auch hier hatte sich etwas verändert. Dichtes Gestrüpp war in die Höhe gewuchert. Es wuchs sogar aus den Mauern hervor, die Lücken zeigte, oder krallte sich an den Stufen einer alten Treppe fest, die an der größten Mauer durch einen bogenförmigen Eingang in die Tiefe führte, um im Dunkeln zu verschwinden.
Allmählich verloren sich bei Peggy die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit. Das normale Leben kehrte wieder zurück, und sie merkte, dass sie zu frieren begann. Sie trug nur das lange Nachthemd, das ihr im Krankenhaus übergestreift worden war. Wenn sie ehrlich war, erinnerte es sie an ein Leichentuch.
Sie hatte auf dieser ungewöhnlichen Reise keine Angst verspürt. Nun aber stieg immer stärker Furcht in ihr auf.
»Ich will hier weg!«
Sie hatte die Worte nur flüstern können, aber der Kreuzfahrer hatte sie verstanden.
»Nein…!«
Peggy hatte nicht herausfinden können, woher die Stimme gekommen war. Ob aus dem offenen Maul oder einfach nur vom Wind her getragen. Misstrauisch und ängstlich schaute sie auf Edward Estur, der sein Schwert gezogen hatte, es aber so hielt, dass die Klinge nach unten wies und Peggy nicht direkt bedrohte. Ihr war klar, dass man sie jetzt forderte und sie über den eigenen Schatten springen musste. Es fiel ihr schwer, trotzdem schaffte sie es, die Frage zu stellen: »Was willst du von mir?«
Eine kurze Pause folgte. Danach hörte das Mädchen die Antwort. »Ich will, dass sich das Schicksal wiederholt.«
Damit konnte Peggy nichts anfangen. Sie schüttelte den
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