1149 - Begraben, aber nicht vergessen
sagen, dass es die Leichen gibt. Zudem liegen sie an einem bestimmten Platz. Sie werden von dort weggeholt und an die Oberfläche des Sees gespült, wo die Wellen sie dann gegen das Ufer schleudern. Da hat Karel Kuzow sie eingesammelt und verbrannt.«
»Es waren dann wohl nur Zombies?«, fragte ich.
»Ja, danach sieht es aus.«
»Was hat ihn so sicher gemacht?«
»Der Test mit dem Kreuz.«
»Gut.« Ich lächelte. »Den kenne ich. Dann bin ich wohl nicht der Einzige.«
»Freut es dich?«
»Im Prinzip schon. Nur wüsste ich gern, woher er dieses Kreuz hat. Gefunden? Gestohlen? Oder hat er es geschenkt bekommen?«
»Das hat er mir nicht gesagt.«
»Wir können ihn auch später fragen. Mich würde interessieren, wo er die lebenden Leichen gefunden hat, und weiterhin möchte ich wissen, ob er eine Erklärung für dieses Phänomen hat. Er wird sich damit beschäftigt haben.«
»Das weiß ich eben nicht.«
»Wieso?«
»Das ist ganz einfach. Er kann es nur hingenommen und daraus seine persönlichen Konsequenzen gezogen haben. Oder kommt dir da etwas anderes in den Sinn?«
»Nein, eigentlich nicht. Zumindest wüsste ich keine exakte Erklärung. Es hängt mit dem See zusammen.«
»Das meine ich auch.«
»Dann frag ihn noch mal.«
»Langsam, John, er muss sich erst fangen.«
»Okay, das ist dein Spiel.«
Karel Kuzow holte aus seiner Hemdtasche eine Schachtel hervor. Darin war etwas zu rauchen. Er bot uns von seinen dünnen Lungentorpedos an, aber wir lehnten dankend ab. Von mir bekam er aber Feuer.
Karina Grischin redete auf ihn ein. Der Ausdruck in Karels Augen war anders geworden. Ich merkte, dass er jetzt besser zuhörte. Er nickte auch hin und wieder und holte vor seiner Antwort zunächst tief Atem.
Er sprach mit leiser Stimme und unterstrich seine Worte mit Gesten. So genau ich auch zuhörte, ich verstand einfach zu wenig, aber ein Wort tauchte in seiner Erklärung immer wieder auf.
Ich merkte es mir und wartete ab, bis er verstummte und sich gegen die Wand zurücklehnte.
Dann schaute ich Karina an. »Da gab es einen Begriff, den er öfter wiederholt hat…«
»Du meinst das Kloster.«
»Oh - so heißt es.«
»Ja.«
»Und was hat es damit auf sich?«
Sie dachte einen Moment nach. »Das Kloster spielt seiner Meinung nach eine Rolle. Es ist auch nicht weit von hier entfernt, wenn man es locker sieht.«
»Kannst du das denn?«
»Nur schwer.«
»Warum?«
»Es liegt auf einer Insel.«
Ich hielt für einen Moment den Atem an. »Augenblick mal«, sagte ich dann. »Soll das heißen, dass wir die Insel eventuell innerhalb des Sees finden können?«
»Nicht eventuell. Es ist so.«
»Oh - das sind ja ganz neue Perspektiven.«
»Es ist nur ein Verdacht. Wir haben keine Gewissheit.«
»Schon okay. Mal eine andere Frage. Ist das einsame Kloster denn noch bewohnt?«
»Das schon.«
»Es gibt also Mönche, die dort in der Einsamkeit auf dem Wasser leben?«
»Ja.«
Ich strich über mein Kinn hinweg. »Das ist ein Tipp.«
»Mag sein. Wobei ich mich frage, was ein Kloster oder seine Insassen mit den lebenden Leichen zu tun haben. Eigentlich doch nichts.«
»Normalerweise nicht«, erwiderte ich gedehnt und ließ dabei meine Gedanken kreisen. »In unserem Job sollte man das Wort normal weit hinten anstellen oder ihm eine andere Definition geben. Da ist das Unnormale schon normal.«
Karina lächelte mir schwach zu. »Wenn ich dich so anschaue, habe ich das Gefühl, hinter deine Stirn sehen zu können. Dort setzen sich deine Gedanken fest. Meiner Ansicht nach drehen sie sich darum, dass du dem Kloster einen Besuch abstatten willst.«
»Darüber denke ich zumindest nach. Es könnte uns auch gelingen. Du hast selbst gesagt, dass der See auch im Winter nicht zufriert.«
»Das stimmt.«
»Dann sollten wir uns dort mal umschauen, wenn es hell geworden ist. Ich bin wirklich gespannt, ob es eine Verbindung zwischen den Mönchen und den Zombies aus dem See gibt. Was mich auch noch wundert ist, dass der See die lebenden Leichen ausspeit, weil er nichts mehr mit ihnen anfangen kann. Warum?«
»Ich kann dir keine Antwort geben.«
»Und was ist mit Karel?«
»Der weiß es auch nicht, John. Er ist nur derjenige, der sie aus dem Weg schafft, indem er sie verbrennt.«
Ich war da skeptisch und schaute mir Kuzow noch mal an. Es war schwer, beim Anschauen eines Menschen zu sagen, ob er nun ehrlich ist oder nicht. Das Gesicht konnte auch eine Maske sein, hinter der sich vieles verbarg.
Ich stand noch einmal auf und
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