115 - Das Höllenbiest
hauchte er. »Ich habe meine Pflicht …
kolossale Schwierigkeiten … Hoffe Verständnis …«
»Sind bestens bekannt!« stoppte ihn Brent. »Alles o. k. Reine
Routinebesichtigung!«
Morrison stand stramm. Seine Augen erkannten nichts mehr. Stimmen
rauschten. Menschen umdrängten ihn. Die Geister der Vergangenheit hatten ihn
wieder gepackt.
Sie quälten und bedrängten ihn.
»Doktor Bergmann!«
»Hier!«
»Walten Sie Ihres Amtes!«
»Jawohl!« Hackenknall. »Jawohl!«
Bergmann-Morrison sah ein ovales, glattes Gesicht auf sich
zukommen.
»Walten Sie Ihres Amtes.«
Die Stimme war scharf und fuhr ihm wie eine kalte Hand quer durchs
Gesicht.
Das ovale, glatte Gesicht verschwand.
Dafür standen drei, vier, fünf Personen vor ihm. Alle in Uniform.
Vor ihnen lag ein Mann auf einem Tisch.
Die Tischplatte fiel. Der Kopf plumpste in den Korb.
»Mensch, Bergmann! Sie werden ja blaß? Schiß in der Hose?«
Morrison-Bergmann drohte ohnmächtig zu werden.
»Walten Sie Ihres Amtes, Bergmann!«
Auf dem Tisch lag ein neues Opfer. Diesmal eine Frau.
»Auch ein Staatsfeind! Das deutsche Volk … der Führer …
Staatsfeinde müssen weg … walten Sie!«
Sie hatte dunkles Haar und Augen wie schwarze Kirschen. Die
Augenbrauen wölbten sich stolz.
Zack! Der Kopf plumpste in den Korb.
Und immer wieder fiel die Platte, und immer wieder plumpste ein
Kopf.
Bergmann-Morrison riß die Augen auf. Da war eine lange
Namensliste, und immer, wenn es plumpste, machte eine Hand einen roten Haken
hinter den Namen.
Ganz nah die Stimme: »Im Namen des Volkes!«
Morrison-Bergmann sah sich wie ein Ertrinkender um.
Aber das Volk war nicht anwesend. Die Hinrichtungen wurden in
einem geheimgehaltenen Keller an einem geheimgehaltenen Ort durchgeführt.
Er war Arzt. Er beaufsichtigte die Vollstreckung des Urteils, er
untersuchte die Toten, wie es ihm vorgeschrieben wurde. Die
Obduktionsergebnisse wurden von höchster Stelle ausgewertet.
Er sah eine kahle, graue Wand vor sich.
Davor zwei Verurteilte.
Das Exekutionskommando. Fünf Männer. Die Salve kracht.
Die Verurteilten in mausgrauen Hemden, mit verbundenen Augen,
kippen um.
»Dr. Bergmann, untersuchen Sie!« Er nähert sich den
Niedergeschossenen.
Einer lebt noch, röchelt, will etwas sagen.
Mathias Bergmann zielt mit der Dienstpistole auf das Herz des
Mannes und schießt.
Es wurde ihm nicht bewußt, daß er sprach, laut sprach und die
Szenen, die et qualvoll erlebte, mit Worten und Gesten eindrucksvoll
schilderte.
Larry Brent hörte aufmerksam zu. Er verstand jedes Wort.
Pamela sah nur die Grimassen und die zerfahrenen Bewegungen
Morrisons. Sie verstand aber kein Wort. Und das war gut. Bergmann-Morrison
sprach deutsch.
»Bergmann!« schnarrte Brent, und es gelang ihm, Bergmann alias
Morrison so weit zu bringen, daß er einen umfassenden Bericht seines bisherigen
Lebens gab.
Im Verlaufe dieser Eröffnungen erfuhr Larry, daß er als Dr.
Mathias Bergmann dann wieder nach Kriegsende bei einem Freund in Dublin hatte
unterkommen können. Dieser Freund hielt ihn eine Zeitlang verborgen, wies ihn
in die irische Lebensweise ein, kannte seine Schwierigkeiten und half ihm. Aber
er wußte offenbar nicht, daß er einen potentiellen Mörder schützte.
Als Gil Morrison begann Dr. Mathias Berger ein neues Leben. Die
Spaltung seiner Persönlichkeit war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich schon so
weit fortgeschritten, daß er von seiner früheren Person nichts mehr wußte.
In Dublin lernte er nach einiger Zeit Henry O’Brien kennen, der
ihn hierher mit in den Turm nahm.
Ob der alte O’Brien geahnt hatte, was für eine Zeitbombe er damit
legte? Sicherlich nicht.
»Wir müssen ständig auf der Hut sein!« flüsterte Morrison. »Wir
sind ständig von Feinden umgeben. Sie sind bewaffnet, das ist gut. Sie werden
mir helfen, nicht wahr?«
Larry nickte. »Ja, natürlich.«
Morrison kicherte leise. Er deutete auf die im Hintergrund
stehende Pamela Delivery. »Sie darf nichts von meinem Vorhaben bemerken, nicht
wahr?« Was er damit sagen wollte, blieb Larry ein Rätsel. »Es muß alles
blitzschnell gehen. Richter Horst macht keine langen Umstände.« Er deutete nach
oben auf den samtbezogenen Sessel, der sein Richterstuhl gewesen war. Immer
dann, wenn er ein neues Opfer ausfindig gemacht hatte, war er erst zum
Ankläger, dann zum Richter, zum Zuschauer und Henker geworden. Und dann wieder
zu Dr. Bergmann.
»Sie sind mein Freund, nicht wahr?« fragte er und blinzelte Larry
aus kleinen
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