1156 - Albtraum Elektra
hatte uns besucht, und dafür musste sie ihre Gründe haben.
Noch bewegten sich nur ihre Augen. Die Blicke streiften über uns hinweg. Sie schaute Suko an, und dabei regte sich kein Muskel in dem glatten Gesicht.
Dann war ich an der Reihe!
Pupillen wie dunkle Perlen. Geheimnisvoll trotz der Starre. Darin schienen sich die Vergangenheit und die Zukunft zu begegnen. Eine Ära gespickt mit altem Wissen. Die Zukunft geheimnisvoll und zugleich auch rätselhaft.
Dann lächelte sie. Die Lippen zuckten für einen Moment, sie öffneten sich, schlossen sich nicht wieder, sondern zogen sich in die Breite. Das Lächeln blieb. Gleichzeitig veränderte sich der Ausdruck in den dunklen Augen. Ich sah das helle Funkeln, das aus goldfarbenen Reflexen bestand.
Gold - es war auch im alten Ägypten sehr wertvoll gewesen. Dieser Gedanke schoss nur flüchtig in mir hoch, denn ich erinnerte mich wieder daran, weshalb Elektra eigentlich erschienen war. Ihr war es einzig und allein um mein Kreuz gegangen. Das hing vor meiner Brust. Eigentlich wie immer, doch in diesem Fall spürte ich es besonders schwer. Als hätte es sich bewusst gemeldet, um mir zu zeigen, dass es noch vorhanden war und mich nicht im Stich lassen wollte.
Es war schon eine sehr ungewöhnliche Situation, und noch ungewöhnlicher war die Stille, die sich zwischen uns wie eine wattige Wand aufgebaut hatte.
Wir alle hatten den Atem reduziert, und Elektra atmete erst gar nicht. Zumindest war an ihr nichts festzustellen. Sie glich tatsächlich einer Figur, die jemand nach einem Grabraub aus Ägypten auf die Insel geschafft hatte.
Ich war es schließlich, der das Schweigen brach. »Ich kenne deinen Namen, aber ich weiß nicht, wer du bist. Elektra hört sich nach dem alten Griechenland an.«
»Es ist nicht meine Heimat«, sagte sie.
Ich lauschte dem Klang der Stimme nach, und mir war sie noch gut von der vergangenen Nacht her in Erinnerung geblieben. Da hatte ich zum ersten Mal diesen rauchigen Unterton vernommen, und auch jetzt bekam ich eine leichte Gänsehaut, denn diese Stimme hätte durchaus auch einer männlichen Person gehören können, obwohl sie dann schon sehr weich ausklang und auch mit einem Locken verbunden war.
»Du stammst aus Ägypten?«
»Ja.«
»Und weiter?«
»Nicht nur Ägypten«, sagte sie. »Ich habe dort gelebt, aber es ist nicht mein erstes Leben gewesen. Es hat mich nur in dieses Land verschlagen, wo ich mithalf, die Erinnerung an ein Reich aufbauen, das es zu dieser Zeit schon nicht mehr gab, weil es in den Tiefen des Meeres versunken war.«
Ich sah, wie Suko zusammenzuckte. Es war mehr ein Wahrnehmen aus dem Augenwinkel, doch ich kannte den Grund und hätte fast ebenso reagiert. Beide wussten wir Bescheid.
Trotzdem sprach ich das eine wichtige Wort aus. »Atlantis?«
Elektra nickte.
»Du bist eine der Atlanter? Und es gibt dich noch? Du hast dich nicht mit den nachkommenden Völkerscharen vermischt und lebst dein eigenes Leben?«
»Ich existiere noch, und ich werde auch weiterhin existieren müssen, um meine Aufgabe vollenden zu können.«
»Was willst du?«
Zum ersten Mal bewegte sich Elektra. Sie nahm die Hände von Glendas Schultern weg und schaute auch zu, wie wir jede ihrer Bewegungen gespannt verfolgten. Es waren nicht die Bewegungen eines normalen Menschen. Alles an ihr wirkte wie ritualisiert, und sie selbst war nichts anderes als ein lebendes Ritual.
Den linken Arm streckte sie aus und ließ ihn an ihrem Körper herabhängen. Sie benötigte nur den rechten, den sie allmählich anhob. Die Finger der Hand legte sie dabei dicht zusammen und streckte sie so weit wie möglich aus.
Das Ziel war ich!
Oder besser gesagt: es war meine Brust!
Kein Laut. Kein Wort. Keine Erklärung. Es war nur durch Gesten verständlich gemacht worden, aber ich begriff, Suko ebenfalls, nur Glenda konnte nichts damit anfangen.
Sie schaute auf mich und sah meine Reaktion, denn ich schüttelte sehr langsam den Kopf.
Das akzeptierte sie zunächst und sagte schließlich mit leiser Stimme: »Ich kann mir vorstellen, wie es dir ergeht. Ich selbst würde nicht anders handeln. Doch in diesem Fall gibt es für dich kein Zurück. Ich brauche es. Ich muss dein Kreuz haben, verstehst du? Nur dann kann ich meine Aufgabe erfüllen.«
»Und ich kann es nicht freiwillig hergeben«, erwiderte ich, »denn auch ich muss es haben. Ich brauche es ebenso dringend, weil auch ich Aufgaben zu erfüllen habe.«
»Du wirst es zurückerhalten.«
»Wann?«
»Wenn ich
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