1156 - Albtraum Elektra
normalen Menschen. Die glatte Haut, keine Falten, keine Pickel, das gab es auch woanders.
Die Veränderung trat ein, als ich einen leichten Druck ausübte. Oder ausüben wollte, denn das war nicht möglich. Es klappte einfach nicht. Die Gesichtshaut setzte mir einen zu starken Widerstand entgegen, und das hatte mit einer menschlichen nichts mehr zu tun. Sie war straff, aber nicht nur das. Sie bestand gar nicht aus Haut. Elektras Körper wurde von einem anderen Material umspannt, und mir schoss der Vergleich mit Stein durch den Kopf.
Hart wie Stein!
Wenn das tatsächlich zutraf, dann musste diese alte Gestalt versteinert sein.
Mein Herz schlug plötzlich schneller. Kälte rieselte über meinen Rücken hinweg, und sofort bildete sich dabei eine Gänsehaut. Ich wollte nicht eben von einer großen Angst sprechen, aber in mir steigerte sich das Gefühl der Unruhe. Ich dachte an die Mächte der Medusa, die es auch schaffte, Menschen zu Stein werden zu lassen, und ich hatte Mühe, den Kontakt mit dem Gesicht zu behalten.
Meine rechte Hand ließ ich an der Wange entlang nach unten gleiten. Überall war dieser Widerstand zu spüren. Er hörte auch am Hals nicht auf. Der gesamte Körper musste so sein. Sie war versteinert oder mit einer harten Schicht bedeckt, und sie war zugleich ein Mensch. Was bei mir die Frage aufwarf, was sich wohl unter dem Stein verbarg. Sicherlich ein Körper. Aber wie sah der wohl aus?
Meine Hand sank wieder nach unten. Sie hatte kaum Kontakt mit dem Körper erhalten, als Elektra fragte: »Ist es gut? Bist du zufrieden, John Sinclair?«
»Im Augenblick schon.«
»Dann gib mir dein Kreuz!«
Ich wusste, dass es die letzte Aufforderung war und ich mich nicht dagegen wehren konnte, sollte nicht schon hier die Zukunft zerplatzen. Sicherheitshalber trat ich von ihr weg, nickte ihr aber zu, um ihr zu zeigen, was ich vorhatte.
Sie wartete starr ab.
Durch den Schritt nach hinten hatte ich eine andere Position erhalten und konnte aus dem Augenwinkel den bewegungslosen Suko sehen. Auch er traute sich nicht, einzugreifen, und Glenda Perkins hatte sich noch immer nicht gerührt.
Das Kreuz hing vor meiner Brust. Als sich meine Hand darauf zubewegte, da bemerkte ich, wie Suko zusammenzuckte. Er sagte nichts, aber er sprach mit den Augen, in denen ich eine Warnung sah. Er wollte auf keinen Fall, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehnte, doch mir blieb keine andere Möglichkeit.
Der oberste Knopf meines Hemdes stand offen. Der Ausschnitt war weit genug, um das Kreuz hervorziehen zu können. Ich dachte daran, wie oft ich dies schon getan hatte, und auch jetzt würde es mir nicht anders ergehen. Aber ich hatte niemals mein Kreuz hervorgeholt, um es abzugeben.
Und noch etwas wollte ich testen. Auf der Brust hatte ich keinen Wärmestoß gespürt. Es konnte an meiner Aufregung gelegen haben. Doch jetzt, als ich es in der Hand hielt, rechnete ich damit, die Wärme an den Fingern zu merken.
Genau das passierte nicht. Noch hatte ich das Kreuz nur flüchtig berührt, weil ich die Kette noch über den Kopf streifen wollte, aber das gute Gefühl erreichte mich nicht.
Ich war enttäuscht. Selbst die Zeichen der Erzengel an den Seiten blieben normal.
Es ging alles langsam vonstatten. Bewegungen wie im Zeitlupentempo geführt. Keine Bewegungen in meinen und auch nicht in den dunklen Augen der Elektra. Wie zwei lauernde Feinde standen wir uns gegenüber, und ich entdeckte auf ihrem Gesicht auch keine Reaktion, als das Kreuz für sie sichtbar wurde. Sie nahm es einfach hin, als hätte sie nie etwas anderes erwartet.
Ich ließ es flach auf meiner Hand liegen. Die Kette baumelte dabei nach unten, und ich hatte sie um meinen rechten Ringfinger gedreht. In den Augen der Elektra tanzten goldene Reflexe, die mich irritierten und auch warnten.
»Du bekommst es zurück«, sagte sie noch einmal.
»Ja, aber…«
»Gib es her!«
Sie zeigte Emotionen, denn die letzten drei Worte waren von einem leichten Zittern unterlegt. Zu lange hatte sie wohl gewartet. Nun sah sie ihre große Stunde gekommen.
»Alles der Reihe nach«, flüsterte ich. »Wir wollen nichts überstürzen. Du weißt selbst, wie wertvoll das Kreuz für mich ist. Normalerweise gebe ich es nicht aus der Hand. Es ist für mich so, als würde ich einen Teil meines Lebens abgeben, auch das musst du verstehen. Ich weiß ja nicht, was du vorhast, aber ich würde vorschlagen, dass wir es gemeinsam versuchen. Es ist möglich, dass ich dir helfen kann, wenn du in
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