1158 - Kalt wie der Tod
Polizei gestellt worden war. Aber hier stand jemand vor ihr, den sie ebenfalls als Mörder einstufte. So lag die Frage nahe, ob der andere vielleicht einen Komplizen gehabt hatte und der entkommen war.
Der Fremde hatte geduldig auf eine Antwort gewartet, wobei sich in seinem flachen Gesicht nichts geregt hatte.
»Nun?«, flüstertet er jetzt. »Hast du dich erholt?«
Maja stieß die Luft aus. Erst dann konnte sie sprechen, und sie kam sich mit ihrer Frage dumm vor:
»Wer sind Sie?«
»Ich bin einer, der es gut mit dir meint!«
»Das glaube ich nicht. Sie haben mir aufgelauert.«
»Ich habe dich gesehen.«
»Okay. Und jetzt?«
»Nehme ich dich mit!«
Maja Illig hatte das Gefühl, unsichtbare Hände krallten sich um ihr Herz zusammen. Plötzlich glaubte sie, in dieser Gestalt den Tod zu sehen. Nicht als Knochenmann, sondern als diese düstere Erscheinung.
Sie zwinkerte mit den Augen und wich dabei langsam zurück.
Der Mann rührte sich nicht, was ihr wiederum den Mut gab, noch weiter zur Straßenmitte hin zu gehen.
Nach dem dritten Schritt drehte sie sich nach rechts. In diese Richtung musste sie laufen, um das Dorf zu erreichen. Sie glaubte fest daran, schneller zu sein, als diese andere Gestalt und sprang förmlich in den Lauf hinein.
Die Flucht war jetzt am wichtigsten, und die schien ihr auch zu gelingen, denn sie hörte den Verfolger nicht hinter sich.
Dafür spürte Maja den Luftzug, der ihren Hals erreichte. Es war ein schneller, fauchender Laut, und sie erlebte, wie brutal die Folge davon sein konnte.
Etwas klatschte zuerst gegen ihren Hals, und innerhalb der folgenden Sekunde wickelte es sich blitzschnell darum. Im Nu zog sich die feuchte Schnur oder was immer es war fest, raubte ihr die Luft, riss auch die Haut auf, hinterließ Schmerzen, und den nächsten Ruck spürte sie mit einer urplötzlichen Gewalt.
Sie wurde gestoppt und flog zurück. Noch landete sie nicht am Boden und schrammte mit den Sohlen darüber hinweg. Aber die Luft war ihr genommen worden. Obwohl sie den Mund weit offen hielt, schaffte sie es nicht mehr, einzuatmen.
Der nächste Ruck erwischte sie abermals hart und schleuderte sie noch weiter zurück. Plötzlich war es ihr nicht mehr möglich, auf den Beinen zu bleiben. Sie musste den Gesetzen der Schwerkraft folgen und landete auf dem Rücken.
Der Aufprall gegen das Pflaster war nicht so hart. Sie hatte auch Glück, nicht zu fest mit dem Hinterkopf aufzuschlagen. Trotzdem spürte sie den Druck und sah für einen Moment Sterne vor ihren Augen blitzen.
Der Instinkt sagte Maja, dass sie auf keinen Fall einen Fehler begehen durfte. Ihr Gefühl riet ihr, ruhig liegen zu bleiben und zunächst einmal nichts zu tun.
Der Druck der Schlinge hatte sich etwas gelockert. Aber war das, das ihren Hals umspannte, tatsächlich eine Schlinge?
Sie hatte plötzlich ihre Zweifel. Das Band war feucht und auch mit einem schmierigen Schleim bedeckt, von dem sie sich ekelte. Sie hörte, wie der Mann auf sie zukam und war nicht in der Lage, den Kopf zu drehen.
Die Schritte bildeten einen gewissen Takt. Genau in diesem Takt bewegte sich auch die Schlinge um ihren Hals, als wäre sie mit dem Körper der Gestalt direkt verbunden.
Rechts neben ihr und beinahe noch in Kopfhöhe blieb der andere stehen. Bisher hatte Maja nicht gewagt, sich zu bewegen. Das änderte sich jetzt, und sie hob den Kopf ein wenig an und verdrehte dabei auch die Augen, weil sie in das Gesicht schauen wollte.
Es war dunkel! Aber es war nicht dunkel genug, als dass Maja diesen Wahnsinn nicht erkannt hätte.
Sie glaubte an einen Irrtum. Es konnte nicht wahr sein, was da mit ihr passierte. Und auch die Gestalt war wie eine Figur aus dem Horror-Kabinett.
Ein Mensch. Ein Gesicht, das sie nicht in allen Einzelheiten sah, das sich allerdings verändert hatte.
Erstens, was die Farbe anging, und zweitens war der Mund zu einem Maul geworden.
Eine dunkle Öffnung, aus der dieses Band hervorging, das sich letztendlich auch um ihren Hals geschlungen hatte.
Nein, das konnte auch kein Band sein. Sie wollte es sich nicht eingestehen. Das war die Zunge dieses verfluchten Mannes, die so lang wie ein feuchter Strick aus dem Maul hervorging und dafür gesorgt hatte, dass sie gefesselt wurde.
Der andere hatte den Kopf leicht nach unten gebeugt. Maja verstand die Welt nicht mehr, aber sie spürte genug, wie die Schlinge um ihren Hals zunächst zuckte wie eine Peitsche und sich dann wieder enger um das Ziel drehte.
Es war eine Botschaft,
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