1160 - Das Gespenst von Dartmoor
Gesicht an. Und es gab auch kein Gesicht, das sich verändert hätte.
Ich bin von der Rolle! hämmerte er sich ein. Verdammt, ich bin völlig von der Rolle. Das ist doch Schwachsinn. So überzeugt war er allerdings nicht von seinen eigenen Worten, denn er stand auf und ging mit kleinen Schritten auf das Regal zu.
In ihm loderte die Flamme der Wut. Am liebsten hätte er all diese Kobolde aus dem Regal geräumt und zertreten. Das hätte ihm zwar Erleichterung verschafft, zugleich auch verschärfte Einzelheit im Bunker. Das wollte er nicht riskieren. Es drehte immer mal jemand durch, und wenn die Kameraden dann aus der Einzelhaft zurückkamen, ging es ihnen nie gut.
Die Pixies standen in Gesichtshöhe. Er schaute genau in die hässlichen Fratzen hinein. Widerliche Geschöpfe, die einen Menschen auslachten.
Seine Wut schwoll an. Sie verwandelte sich in regelrechten Hass auf seine kleinen Pixies. Sie nehmen, zerdrücken, sie dann zertreten, das war es doch.
Zumindest einen…
Seine rechte Hand schwang in die Höhe, und seine Finger zuckten schon auf das Ziel zu.
»Hüte dich!«
Die Flüsterstimme ließ ihn aufschreien. Ein kurzer Schrei nur, dann fuhr er auf der Stelle herum.
Direkt vor ihm stand das Gespenst!
***
Es war ein schöner Tag. Es schien auch die Sonne, doch auch das Gold ihrer Strahlen machte die Umgebung keineswegs schöner oder freundlicher. Die Düsternis der alten Mauer übertrug sich auf das gesamte Areal, auf dem auch die Kirche stand.
Man hatte sie in eine Ecke gebaut. Das alte Kopfsteinpflaster war noch vorhanden, aber die Natur hatte es geschafft, einen Teil davon zu überwuchern.
Wo wir auch hergingen, der Schatten der Mauer erreichte uns. Der gesamte Komplex lag eingebettet in tiefe Stille. Nur aus den Werkstätten hörten wir Geräusche. Auf den Wachtürmen sahen wir die Aufpasser, die ihren Job locker nahmen. Wer aus Dartmoor flüchtete, der wurde sehr bald wieder eingefangen, weil es in der Umgebung keine Verstecke gab. Er hätte nur nach Princetown flüchten können oder zu einer naheliegenden Bushaltestelle, aber dort suchte man sofort nach. Zudem fuhr der Bus nicht alle fünf Minuten.
Über allem schwebte der Geruch des Hochmoors. Er war nicht so schlimm wie im Herbst, wenn die Luft drückte, aber es gab ihn schon. Es roch nach Fäulnis, nach Blüten, die bald vergehen würden, und nach einer sterbenden Natur.
Ich war praktisch von einem Sumpf in den anderen gekommen, denn der letzte Fall hatte mich in eine ähnliche Gegend geführt, nämlich nach einer in Deutschland.
Trotzdem konnte man beide Fälle nicht vergleichen. Dieser hier war anders. Ich würde keine Menschen erleben, deren Körper mit Fangarmen gespickt waren, damit sie sich die Beute holen konnten.
Die Kirche war wirklich klein. Mehr eine Kapelle. Aus Granitsteinen gebaut. Sehr dunkel und mit nur kleinen Fenstern bestückt. An den unteren Enden der Mauern wuchs das Unkraut hoch, als wollte es die Wände abkratzen.
Bevor wir hineingingen, blieben wir stehen. Auf dem Dach ragte in der Mitte ein kleiner Turm hoch. Er war in der oberen Hälfte offen. Wir sahen darin die Umrisse einer Glocke.
»Bist du sicher, dass es der richtige Weg ist?«, fragte Suko.
»Nein, nicht sicher.«
»Warum gehst du ihn dann?«
»Wo sollen wir sonst anfangen?«
»Keine Ahnung. Wir können uns auch die Männer vornehmen, mit denen die Toten, als sie noch lebten, eine Zelle geteilt haben. Ist nur ein Vorschlag. Kann sein, dass die etwas wissen, was ihnen noch gesagt wurde.«
»Nein, nicht jetzt.«
»Du denkst mehr an den Mönch?«
»Du nicht?«
»Ich habe da meine Zweifel.«
»Okay, dann teilen wir uns den Job. Du sprichst mit den Leuten, und ich schaue mich in der Kirche um. Irgendwo werden wir uns schon noch treffen.«
»Einverstanden.«
Die Erlaubnis, mit den Häftlingen reden zu können, hatten wir von Randall bekommen. Die entsprechenden Papiere konnten wir seinen Leuten zeigen. Da würde es keine Schwierigkeiten geben.
Die Tür war normal hoch. Als ich sie aufzog, wehte mir ein kühler Lufthauch entgegen, den ich als sehr angenehm empfand.
Mit langsamen Schritten schob ich mich über die Schwelle hinein in das fremde Terrain.
Es war nicht nur düster, sondern auch still. Ein schlichtes kleines Gotteshaus, ohne irgendwelchen Prunk oder Schnickschnack. Es gab keine Bilder an den Wänden. Ich sah auch keine Kanzel, sondern nur einen kleinen Altar.
Die Orgel an der Seite war mehr ein Harmonium. Darauf war lange nicht mehr
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