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1160 - Das Gespenst von Dartmoor

1160 - Das Gespenst von Dartmoor

Titel: 1160 - Das Gespenst von Dartmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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dass aus den Ärmeln schwarze Klauen hervorragten. Keine Hände, das waren Klauen. Dunkle Greifer mit dicken, leicht gekrümmten Fingern.
    Hinter seinem Rücken hörte er Geräusche. Kichern? Ein Lachen? Er wusste es nicht. Er konnte sich auch nicht vorstellen, wer diese Laute abgegeben hatte. Abgesehen von seinen Kobolden. Die aber waren unecht und bestanden aus Gips.
    Die Neugierde war da. Er traute sich trotzdem nicht, den Kopf zu drehen, denn der andere wollte, dass er ihn anschaute. Das war ihm klar, ohne dass jemand ihm etwas gesagt hatte.
    Eine Aufforderung, sich um ihn zu kümmern. Nur um ihn, um nichts anderes.
    Walters lebte lange genug in der Anstalt, um sich mit den Geschichten und Legenden auszukennen.
    So wusste er sehr genau, dass die Sage von einem Gespenst umherging. Das Gespenst von Dartmoor, das niemand gesehen hatte, vor dem man sich trotzdem fürchtete. Manchmal hielt er es für ein Märchen, dann wiederum glaubte er fest daran. Und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dass er daran glaubte.
    Er hörte eine Stimme. Sie wehte leise auf ihn zu. Nicht stärker als ein Windhauch…
    »Geh. Geh sofort. Geh zur Kirche. Schließe sie ab. Du weißt, wo der Schlüssel liegt?«
    Er nickte nur.
    »Dann beeile dich!«
    Carl Walters wollte es nicht glauben. Der Riesen-Kobold ließ ihn einfach laufen. Das war für ihn nicht zu fassen, und er traute sich zu Beginn nicht, einen Fuß vorzusetzen.
    »Geh jetzt!«
    Aus der Masse unter dem Umhang war das Zischen hervorgedrungen und hatte wie ein wütender Befehl geklungen. Für einen Moment war Carl Walters zusammengezuckt, dann hatte er nichts anderes im Sinn, als dem Befehl Folge zu leisten.
    Trotz der Angst bewegten sich seine Sinne in der Gegenwart. Die Kirche war nicht zu weit weg. Er konnte sie noch innerhalb seiner Pause erreichen. So setzte er sich in Bewegung.
    Als wären die Peitschen der Aufseher in Aktion getreten, so sehr beeilte er sich. Er rannte, was seine Beine hergaben. Er riss die Tür auf, stolperte in die bessere Luft hinein und rannte mit langen Sätzen der Kirche entgegen. Es sah schon aus wie eine Flucht, aber hier kam niemand weg.
    Keuchend erreichte er die Kirche. Er fiel gegen die raue Mauer neben dem Eingang. Seine Hände krallten sich im zähen Gestrüpp fest, das in die Höhe rankte.
    Jeder Gefangene, der die Kirche schon einmal betreten hatte, wusste, wo er den Schlüssel finden konnte. Seit es keinen Pfarrer mehr hier gab, war die Kirche abgeschlossen. Aber der Schlüssel lag in einem handbreiten Mauerspalt.
    Der Gefangene streckte seine Finger hinein. Er drehte sie. Er zitterte und hörte seinen eigenen pfeifenden Atem. Walters schaute auch nicht zurück. Er wollte nichts sehen und nur den Schlüssel finden, was ihm Mühe bereitete. Wer immer die Tür zuletzt aufgeschlossen hatte, der hatte den Schlüssel weit in den Spalt hineingeschoben. So musste er seine Finger schon sehr strecken, um die Schlüssel endlich hervorklauben zu können.
    Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er es endlich geschafft hatte. Es war ein normaler Türschlüssel wie es in dieser Form unzählige gab.
    Alles Weitere war ein Kinderspiel. Den Schlüssel hineinstecken, ihn zweimal drehen, dann war die Tür zu. Er zog ihn wieder hervor und legte ihn zurück in das Versteck.
    Jetzt ging es ihm besser. Und die verdammte Sirene hatte sich noch nicht wieder gemeldet. Die Pause dauerte noch einige Sekunden an. Diese Zeit nutzte Walters.
    Wieder rannte er. Er schwitzte. Der Atem ging keuchend. Die Strahlen der Sonne machten ihm zu schaffen, und er sah auch die Schatten einiger Männer in der Nähe.
    Um ihn kümmerte sich keiner. Es kam zwar nur selten vor, dass Gefangene in der Mittagspause die Kirche betraten, aber es passierte schon mal. Niemand hatte etwas dagegen.
    Schwer atmend stürmte Carl Walters in seine Bude hinein. Er wäre beinahe ausgerutscht und gegen die Regale mit den Pixies gefallen. Im letzten Augenblick konnte er sich fangen, blieb stehen und schaute sich um.
    Das Gespenst war weg!
    Er sah es nicht, aber er roch es noch. Dieser alte Sumpfgestank hing zwischen den Wänden. Als er sich nach rechts drehte, um einen Blick auf die Pixies zu werfen, da sah er sie in den Regalen stehen, aber nicht mehr so wie er sie hineingestellt hatte.
    Manche drehten ihm den Rücken zu. Andere schauten ihn noch an. Wieder andere zeigten ihr Profil.
    Er hatte dabei nicht mitgeholfen. Das musste das Gespenst gewesen sein. Walters überlegte. Dabei wischte er über sein Gesicht.

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