1160 - Das Gespenst von Dartmoor
uns Gedanken darüber machen, wie wir die Stätte hier verlassen können. Ist Ihnen bekannt, ob es hier einen Seitenausgang gibt? Eine Nebenpforte, wie man sie von verschiedenen Kirchen her kennt?«
Fiona zuckte mit den Schultern. »Das kann durchaus sein. Ich habe noch nicht nachgeschaut.«
»Machen wir es zusammen?«
»Bitte, wie Sie wollen.«
Da die Kirche mehr einer Kapelle glich, brauchten wir nicht viel Raum zu untersuchen. Schon nach wenigen Minuten stand fest, dass es hier keinen Seitenausgang gab.
Ratlos blieben wir vor dem Altar stehen. Fiona lächelte. »So ähnlich müssen sich auch die Gefangenen fühlen. Sie denken ebenfalls darüber nach, wie sie aus ihren Zellen herauskommen. Und wir müssen uns auch etwas einfallen lassen.«
»Da bleiben nur die Fenster.«
»Die ziemlich hoch liegen und erst noch eingeschlagen werden müssen.«
»Das wäre kein Problem, aber gern mache ich es nicht.«
»Ich ebenfalls nicht!« stimmte Fiona mir zu, um danach ein anderes Thema anzuschlagen. »Was mich beschäftigt, ist folgendes. Warum hat man uns hier in der Kirche eingesperrt? Und wer steckt dahinter? Können Sie mir das sagen?«
»Nein.«
Sie ließ nicht locker. »Aber es könnte sein, dass es mit Ihrem Besuch hier zusammenhängt.«
»Oder mit Ihrem?«
»Nein, nein, ich bin länger hier. Es gab die Morde, das stimmt, aber ich bin nicht direkt angegriffen worden. Man hat mich wirken lassen, nun aber haben sich die Vorzeichen verändert. Sie und Ihr Freund sind hinzugekommen. Also hat die andere Seite reagieren müssen. Und jetzt frage ich Sie, wer die andere Seite ist!«
»Ganz einfach, Fiona. Das sind diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass es Tote gab.«
Sie stöhnte auf. »Das hätte mir auch meine Großmutter sagen können. Ich brauche Fakten, John. Wir brauchen Sie. Warum hat man uns in diese Kapelle eingesperrt? Wer will uns aus dem Spiel lassen? Welche Kraft steckt dahinter?«
»Eine Macht, die man bisher unterschätzt hat.«
Fiona war zwei Schritte von mir weggegangen. Als sie meine Antwort hörte, blieb sie stehen und drehte sich um. »Eine Macht?«, fragte sie leise und etwas spöttisch. »Von welch einer Macht reden Sie denn? Können Sie mir das erklären?«
»Gibt es nicht Geschichten? Sagen? Legenden? Kann sein, dass es hier in Dartmoor und Umgebung eine Entwicklung gegeben hat, die nicht so leicht zu erklären ist. Ich habe meine Erfahrungen sammeln können, auch schon hier im Zuchthaus, und ich denke, dass ich genau aus diesen Gründen geholt worden bin.«
Fiona schaute mich lauernd an. »Ja«, gab sie zu. »Irgendwie haben Sie Recht. Jeder kennt die Geschichten über die Pixies, die boshaften Gnome. Auch die Gefangenen. Und es gibt nicht wenige, die sich vor ihnen sogar fürchten. Man hat sogar von einem Anführer gesprochen. Einem riesigen Gespenst. Aber das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Sie etwa?«
»Ich weiß es nicht.«
»Also glauben Sie daran?«
»Ich bin jemand, der nichts abstreitet und zunächst alle Meinungen aufnimmt. Erst später bilde ich mir eine eigene. Dabei habe ich schon ziemlich viele Überraschungen erlebt, das können Sie mir glauben, Fiona.«
Sie hatte mir genau zugehört und kam mit langsamen Schritten auf mich zu. Nachdenklich schaute sie mich mit schräg gelegtem Kopf an. »Ich finde es gut, dass Sie nicht die Nerven verlieren, John, und einfach nur nachdenken.«
»Warum sollte ich denn die Nerven verlieren?«
»Andere wären nicht so ruhig.«
Ich winkte ab. »In meinem Job bin ich einiges gewohnt. Da ist es noch harmlos, in einer Kirche eingeschlossen zu sein. Ich habe weit schlimmere Dinge erlebt.«
Durch das Lächeln bekamen die angespannten Züge einen weichen Ausdruck. »Ja, das kann ich mir vorstellen, John. Das glaube ich Ihnen sogar sehr gern. Mein Vater hat Sie auch in den höchsten Tönen gelobt. Ich muss mir immer selbst ein Bild von dem Menschen machen. Ich studiere noch Jura. In diesem Jahr habe ich mein Studium fast abgeschlossen und werde in die Praxis wechseln. Ein wenig vom echten Dasein erlebe ich ja schon hier. Davon abgesehen, ich mache mir mehr Gedanken darüber, wer die Tür von außen abgeschlossen haben könnte. Ich jedenfalls habe sie aufgeschlossen.«
»Dann hatten Sie auch einen Schlüssel, denke ich.«
»Nicht direkt. Ich wusste, wo er lag. Neben der Tür in einer Spalte in der Mauer. Dort liegt er immer. Da habe ich ihn auch nach dem Aufschließen wieder hingelegt. Deshalb fanden Sie die Tür auch
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