1162 - Lukretias Horror-Welt
für mich neu. Ich presste die Lippen zusammen, atmete ruhig durch die Nase und drehte mich dann um zum Telefon.
Ich wollte bei Suko anrufen und mich erkundigen, ob er bereits zum Krankenhaus gefahren war.
Ihn selbst über Handy erreichen wollte ich nicht. In einem Krankenhaus mussten die modernen Quälgeister ausgeschaltet werden. Suko hatte sich bestimmt an diese Sicherheitsbestimmungen gehalten.
Er war schon gefahren, denn Shao meldete sich. »Ach, du bist es, John. Ich dachte an Suko.«
»Der ist doch weg - oder?«
»Klar.«
»Wann fuhr er?«
»Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Es war jedenfalls nach Mitternacht. Noch vor eins.«
»Und aus dem Krankenhaus hat er sich nicht gemeldet?«
»Nein. Sorgt dich das?«
Ich musste lachen, obwohl ich es nicht wollte. »Was heißt sorgen? Irgendwie schon. Aber ich mache mir mehr Gedanken um Sarah.«
»Warum? Sie ist gut aufgehoben.«
»Das mag schon sein, aber es hat auch Jane erwischt!«
»Bitte?« Es entstand eine kurze Pause. »Wie meinst du das denn, John? Wieso hat es sie erwischt?«
»Tja, ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll. Jedenfalls steht sie unter Lukretias Einfluss, und ich habe Glück, dass ich noch normal bin.« Weiterhin sprach ich meine Gedanken aus, die mich quälten. »Jetzt kann es natürlich sein, dass auch Lady Sarah infiziert werden soll. Lukretia weiß, daß wir Feinde sind, und sie will uns aus dem Weg haben. Dazu gehört Sarah.«
»Verstehe«, flüsterte Shao. »Suko ist darüber wohl nicht informiert - oder?«
»Nein. Er wird Jane Collins, wenn er eintrifft, als völlig normale Person ansehen.«
»Bist du dir denn sicher, dass sie zum Krankenhaus gefahren ist?«, wollte Shao wissen.
»Nicht hundertprozentig. Sie fuhr mit Lukretia von hier weg. Es ist eine der Möglichkeiten.«
»Das sieht nicht gut aus. Hört sich auch nicht gut an, John. Willst du denn hin?«
»Ja.«
»Okay, wenn ich Suko Bescheid geben soll…«
»Nicht über Handy. Das geht im Krankenhaus nicht. Es ist auch alles nicht sicher. Jedenfalls fahre ich jetzt los.«
»Und wie geht es dir, John?«
Ich lachte kurz in den Hörer. »Frag nicht, Shao, es ging mir schon mal besser. Jedenfalls habe ich Glück gehabt und bin froh, das Kreuz bei mir zu tragen.«
»Ja, das glaube ich. Viel Glück.«
Ich legte auf und verließ das Haus, das jetzt völlig leer war. Ich wünschte mir, dass Sarah und Jane so bald wie möglich wieder einziehen und ein »normales« Leben führen würden.
Der Weg zum Krankenhaus war nicht sehr weit.
Der alte Bau lag inmitten der Umgebung wie eine schwere Insel, die vom Himmel gefallen war. Ein mächtiger Klotz, der spärlich erhellt war, von einem kleinen Park umgeben wurde und eine Zufahrt zu den Parkplätzen hatte. Tagsüber reichten die Parkplätze bestimmt nicht aus, doch in der Nacht fand ich genügend freie Stellen.
Ich rollte auf das Grundstück mit den relativ wenigen Fahrzeugen und stellte den Rover so hin, dass ich die Ausfahrt erreichen konnte, ohne drehen zu müssen.
Dann stellte ich den Motor ab.
Danach blieb ich erst einmal im Wagen sitzen. Die kurze Fahrt hatte mich trotz allem angestrengt.
Auf den meisten Stellen meiner Haut lag kalter Schweiß, und auch das leichte Zittern bekam ich nicht mehr unter Kontrolle.
Mit dem Taschentuch wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und den Wangen weg. Erst dann löste ich den Gurt und öffnete die Fahrertür, um auszusteigen.
Es war still in der Umgebung. Als einziges Geräusch erreichte mich das leise Rascheln der Blätter, die über mir im Geäst der Bäume schimmerten und sich zuckend bewegten.
Ein menschenleerer Parkplatz. So zumindest sah es aus. Auch beim ersten Rundblick fiel mir nichts Negatives auf. Ich schaute über die Wagendächer hinweg und blickte auch so gut wie möglich gegen die Scheiben, auf denen sich Feuchtigkeit gesammelt hatte.
Ein nächtlicher Parkplatz, eingehüllt in die Ruhe, die für diese Zeit völlig natürlich war.
Oder nicht?
Etwas war mir aufgefallen. Leider wusste ich nicht mehr, was es gewesen war. Ich drehte mich noch einmal und hoffte, dass es mir ein zweites Mal passierte.
Diesmal nicht.
Aber es hatte sich etwas bewegt. Dabei war mir nicht klar, ob inner- oder außerhalb eines der Fahrzeuge. Die Bewegung war nur in meinen Sichtkreis gelangt. Nun nicht mehr.
Wir hatten keinen Herbst. Es war demnach auch kein Laub über den Boden geweht worden. Es hatten sich auch keine Buschzweige bewegt, es gab überhaupt keinen natürlichen
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