1162 - Lukretias Horror-Welt
Ja, denn du bist die richtige Person.«
»Ich? Was soll ich denn tun?«
Lukretia blickte wieder auf mich, lächelte knapp und flüsterte Jane zu: »Was habe ich denn mit dir getan?«
Die Detektivin gab die Antwort nicht sofort. Sie sprach erst nach kurzem Nachdenken. »Du hast mich geküsst.«
»Genau das ist es. Küss ihn!«
Ich hatte zugehört, und ich gab auch zu, dass ich mit allem möglichen gerechnet hatte, allerdings nicht mit einem Kuss. Mit einer Kugel, mit einem Messerstich, doch mit einem Kuss?
Dabei war mir klar, dass mir Jane Collins keinen normalen Kuss geben würde. Dahinter steckte mehr, viel mehr. Es würde ein Kuss werden wie ihn Lukretia wollte und auch liebte. Ich war gespannt, wie sich Jane entscheiden würde. Und ich fragte mich auch, wie stark der Einfluss dieser Lukretia auf sie war.
Jane zögerte noch. Sie drehte den Kopf. Sie schaute zu mir. Sie schluckte, und sie presste zugleich die Lippen zusammen. Es war ihr anzusehen, dass sie sich innerlich wehrte, und ich bekam auch mit, wie sie ihre Hände bewegte. Sie ballte sie zu Fäusten, öffnete sie wieder, schaute sich um, wollte etwas sagen - und wurde von Lukretia plötzlich gegen die Wand gestoßen.
»Tu es! Sofort!«
»Aber ich…«
Lukretia war es leid. Sie trat von Jane weg. Sie war zornig geworden und zog eine Waffe hervor.
Ich hatte beide Frauen im Blick und erkannte, dass sie eine Beretta in der Hand hielt. Sie musste die Waffe Jane weggenommen haben.
Lukretia hielt die Waffe in der Hand und bedrohte Jane. »Du wirst zu ihm gehen und ihn küssen, Jane. Wenn nicht, werde ich dir eine Kugel durch den Kopf schießen. Ist das klar?«
Jane tat zunächst nichts. Schließlich rang sie sich ein schwerfälliges Nicken ab.
»Na also, es geht doch. Vergiss nie, dass du jetzt auf meiner Seite stehst.«
»Ja, ja, ich weiß.«
»Dann los!«
Ich hatte alles gehört. Ich hatte alles gesehen, und ich wusste jetzt, dass es darauf ankam. Innerlich verkrampfte ich mich, wobei ich zugleich feststellte, dass es mir wieder etwas besser ging. Der Schlag musste einen Nerv getroffen haben, der für meinen Zustand gesorgt hatte. Jetzt war er dabei, wieder seine normale Funktion einzunehmen oder sich zu lösen, wie auch immer.
Bewegen konnte ich mich trotzdem noch nicht. Höchstens mit den Fingern zucken oder mit den Augendeckeln. Alles andere war einfach nicht mehr vorhanden.
»Geh jetzt!«
Jane, die sich bisher auf Lukretia konzentriert hatte, drehte sich sehr langsam um. Sie bewegte sich wie ein Mensch, aber sie bewegte sich nicht normal. Sie schien unter einem gewaltigen Druck zu stehen, und ihr Gesicht erinnerte mich an eine Maske.
Es gab keinen großen Zwischenraum. Ein langer Schritt hätte Jane in meine direkte Nähe gebracht.
Sie überbrückte die Distanz in zwei Schritten und blieb dann vor mir stehen.
Ich lag, sie stand.
Jane senkte den Kopf.
Ich lag nicht ganz auf der rechten Seite. Durch das Verdrehen der Augen konnte ich hoch in ihr Gesicht schauen. Die Helligkeit reichte aus, um sie sehr deutlich zu sehen.
Klar, es war ihr Gesicht. Trotzdem wirkte es auf mich verdammt fremd. So starr. Da bewegte sich nichts. Die Augen blieben starr und blicklos. Sie beugte sich nicht zu mir hinab. Sie blieb stehen wie eine weibliche Statue.
Es gefiel Lukretia nicht. Sehr schnell war sie dicht hinter Jane Collins. Dort hob sie den Arm und drückte ihr die Mündung der Waffe gegen den Nacken. »Ich habe keine Lust mehr, lange zu warten. Wir haben in dieser Nacht noch mehr zu erledigen.«
Die Worte waren so laut gesprochen worden, dass ich sie gut verstanden hatte. Natürlich fragte ich mich, welche Pläne die Silberblonde noch in die Tat umsetzen wollte, doch eine Erklärung gab sie auch nicht. Ihre Konzentration galt einzig und allein Jane und deren neuer Aufgabe.
»Nimm die Waffe weg, bitte«, sagte Jane. »Ich werde es tun. Es bleibt mir nichts anderes übrig.«
»Das meine ich auch!«
Ruckartig ging Jane Collins in die Knie. Sie sprach dabei kein Wort. Ihr Blick saugte sich an meinem Gesicht fest, und ich suchte dabei nach etwas Fremdem in ihren Augen.
Direkt war nichts zu sehen. Jane wirkte wie immer. Vielleicht etwas geistesabwesend, das war alles.
Die vorgestreckten Hände erreichten den Boden. Sie stemmte sich rechts und links von mir gegen den Untergrund.
Wie schon erwähnt, es ging mir etwas besser. Ich hatte meine fünf Sinne wieder beisammen, nur die Funktionen meines Körpers wollten mir nicht so gehorchen.
Aber ich
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