1168 - Nach den Regeln der Hölle
Schweigen vergattert, woran sie sich auch hielten, denn kein Wort der Erklärung drang über ihre Lippen.
Ich brachte die Kollegen noch bis vor das Haus und wartete, bis sie abfuhren. Dann stieg ich wieder hoch in die zweite Etage und wich den Fragen der Bewohner aus.
Der Umgang mit Kampfhunden war ein verdammt sensibles Thema. Wenn sie erfuhren, dass diese, auf den Menschen dressierten Bestien, sich in ihrem Haus aufgehalten hatten, würden sie sich unnötig ängstigen.
Ich war froh, wieder in Alina Wades Wohnung zu sein, die ihre graue Dunkelheit verloren hatte.
Jetzt brannte in jedem Zimmer Licht.
Ich fand die beiden Frauen in Alinas Zimmer. Auf Janes Wange klebte ein langes Pflaster, doch ansonsten ging es ihr gut. Abgesehen von der Erinnerung, die sie noch verarbeiten musste.
»Ich habe Lady Sarah Bescheid gesagt, dass wir noch am Leben sind.«
»Hast du ihr von den Hunden erzählt?«
»Allerdings!«
»Was sagt sie?«
Jane winkte ab. »Ich habe ihren Kommentar bewusst vergessen. Jedenfalls war sie froh, diesmal nicht dabei gewesen zu sein.«
»Kann ich verstehen«, sagte ich und ließ mich in einem Sessel nieder. Für den Moment war ich froh, die Beine ausstrecken und entspannen zu können. Ich schloss die Augen, ohne jedoch eine Entspannung zu erleben. Zu nah lagen die schrecklichen Ereignisse noch zurück. Es war ein Film aus bösen Bildern, der sich immer wieder vor meinem geistigen Auge bewegte.
Jedenfalls lebten wir noch. Danach hatte es für eine Weile nicht ausgesehen.
Ich schreckte zusammen, als etwas Kaltes und auch Nasses meine Wange berührte. Es war eine Dose Wasser, die Jane Collins in der Hand hielt. Sie hatte sie frisch aus dem Kühlschrank geholt und bereits geöffnet.
»Hier, John. Ich denke, dass du jetzt einen Schluck vertragen kannst.«
»Und wie«, erwiderte ich mit rauer Stimme. Ich musste schon fest zugreifen, um zu verhindern, das mir die feuchte Dose aus der Hand rutschte. Das Wasser war eine Wohltat. Es floss als kalter Strom durch meine Kehle und erfrischte mich vom Kopf bis zu den Füßen; das war zwar etwas übertrieben, aber ich fühlte mich so.
Die fast leere Dose stellte ich weg und wischte über meine Lippen. Im Raum war es kühler geworden. Das Fenster stand offen und die dunstige Luft konnte eindringen. Jane und Alina hatten sich gesetzt. Beide schauten mich an, und beide wirkten zwar entspannter, aber glücklich sahen sie nicht aus.
Sicherlich hingen sie den gleichen Gedanken nach wie ich auch. Jane sprach aus, was ich dachte.
»Dieser Wade ist zwar verschwunden, aber damit sind wir noch nicht aus dem Schneider.«
»Richtig.«
»Es ist sein Spiel, John. Er spielt es nach den Regeln der Hölle, und die gibt nicht auf.«
Alina wusste ebenfalls, was gemeint war. Sie hatte bisher nichts gesagt und grübelnd auf einem Stuhl gesessen, den Blick nach unten gerichtet. Sie hob den Kopf an, öffnete die Augen weit, und jeder konnte sehen, dass sie wieder normal geworden war. Das Erbe ihres Vaters hatte sie zurückgedrängt.
»Er hat sich verwandelt«, sprach sie mich an. »Ich habe nicht genau gesehen, worin, aber…«
»In einen Drachen!«
Ihre Lippen zuckten. »Wieso? Ist das nicht ein Fabeltier? Soviel ich weiß, gibt es keine Drachen.«
»Manchmal schon.«
»Wohl mehr in der Hölle, nicht?«
»So ähnlich«, sagte ich und diskutierte nicht weiter über das Thema. Es wäre zu kompliziert geworden. Stattdessen sagte ich: »Ihr Onkel wird es immer wieder schaffen, seinen Zustand zu verändern. Und er wird auch nicht vergessen haben, dass er eine Niederlage einstecken musste. Deshalb wird er alles daransetzen, um das zu revidieren.«
»Er wird uns also töten wollen.«
Ich sah keinen Grund, die Wahrheit zu verschweigen. »Darauf läuft es hinaus.«
Alina schluckte. Sprechen konnte sie in den folgenden Sekunden nicht mehr. Auch Jane Collins hielt sich mit einem Kommentar zurück. Situationen wie diese waren uns nicht unbekannt. Wir erlebten sie in ähnlicher Form immer wieder. Leider gab es in diesem Fall verdammt wenig Anhaltspunkte, wo wir einhaken konnten. Trotzdem musste ich eine Frage an Alina loswerden.
»Wie gut kennen Sie Ihren Onkel?«
Sie fing an zu lachen. »Ich und ihn kennen? Nein, ich kenne ihn gar nicht. Ich habe ja nicht einmal meinen Vater richtig gekannt. Deshalb kann ich Ihnen auf die Frage keine Antwort geben.«
»Das ist natürlich nicht gut.«
»Tut mir leid - echt.«
Jane mischte sich ein. »Aber dein Vater wird doch was über ihn
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