1168 - Nach den Regeln der Hölle
gehört irgendwie schon zu mir - jetzt, wo er nicht mehr lebt.« Er wollte noch mehr sagen, doch die Worte fehlten ihm plötzlich, denn er hatte etwas gesehen, was auch uns aufgefallen war.
Der Hund bewegte sich.
Und Alina ebenfalls!
Plötzlich lag eine Spannung über dem Dach, wie wir sie zuvor nicht erlebt hatten. Es gab wohl keinen, der sich diese Reaktion genau erklären konnte, denn es sah so aus, als wäre Alina plötzlich stärker als die Bestie.
Wir hörten sie knurren. Aber sie biss nicht zu. Sie hob sogar ihren Kopf an, und damit entfernten sich die mörderischen Zähne auch vom Hals der Frau. Ich warf einen Blick in ihr Gesicht. Unter dem Kinn schimmerten einige Blutstropfen. Weiter oben im Gesicht sah ich die Augen.
Nein, das waren keine menschlichen mehr. Hell, ohne Pupillen. Nichts malte sich da ab, bis auf eine Botschaft, die sie nicht als Mensch verschickte, sondern als Erbin ihres Vaters.
Genau diese Botschaft hatte der Kampfhund verstanden. Er zog sich zurück. Er winselte sogar, drängte sich zur Seite, ging, und wir sahen, dass ihm die Verletzung zu schaffen machte, denn er zog den rechten Hinterlauf nach und sackte bei jedem Schritt ein. Er wollte zu seinem Herrn und Meister, der nicht auf ihn achtete und den Blick nicht von seiner Nichte wenden konnte. Deshalb sah er auch nicht, dass es dem Kampfhund immer schwerer fiel, sich auf den Beinen zu halten.
Plötzlich brach er zusammen. Ein jämmerliches Jaulen, ein letztes Zucken, dann war auch der fünfte Hund nicht mehr am Leben.
Wade gönnte ihm einen kurzen Blick.
Dann schaute er mich an.
Ich lächelte und wollte mein Kreuz hervorholen, als ich durch Alina abgelenkt wurde. Sie hatte sich erhoben. Ihr war nichts weiter passiert, und sie hatte jetzt ein neues Ziel im Auge. Es war ihr Onkel, auf den sie langsam zuschritt, die Hand mit dem Stigma dabei so gedreht, dass er das Kreuz sehen konnte.
»Kennst du dieses Zeichen, Dorian? Kennst du es? Ich habe das Kreuz angefasst. Ich bin nicht gestorben, nicht vergangen, denn die Hölle wollte mich nicht. Ich will sie auch nicht. Mein Vater hat Zeit genug gehabt, sich auf die Veränderung vorbereiten zu können. Er hat es geschafft. Er hat gegen seine eigene Natur angekämpft und versucht, sein normales Dasein zurück zu holen. Das ist ihm gelungen. Das hat wunderbar geklappt. Er hätte nur noch etwas mehr Zeit haben müssen, dann wäre er perfekt gewesen. Aber die Zeit hast du ihm nicht gegeben, Dorian, und deshalb hasse ich dich. Ja, ich hasse dich, wie man sonst niemand hasst.«
Was Jane und ich nicht geschafft hatten, brachte Alina fertig. Sie war über sich selbst hinausgewachsen.
Sie verunsicherte ihren Onkel. Sie trieb ihn in die Defensive. In diesem Fall hieß das zurück. Er war so überrascht, dass er diesen Weg einfach gehen musste, und in seinem Körper gab es Reaktionen, die in der Urzeit geboren waren.
Ob es der Abdruck des Kreuzes in der Hand war oder es mit Alina Wades Verhalten zu tun hatte, ich wusste es nicht, weshalb er sich in seiner wahren Gestalt zeigte und dabei auf dem Dach immer mehr zurückwich.
Ich war längst nicht mehr inaktiv. Aber ich präsentierte ihm noch nicht mein Kreuz, weil ich seine Nichte nicht stören wollte. Sie war eine Person, die diesen Weg einfach gehen musste. Auch Jane Collins griff nicht ein. Sie schaute aus dem Hintergrund zu, wie Dorian Wade die Veränderung durchmachte.
Sein Gesicht zerfloss. Es begann die Metamorphose. Das wahre Aussehen drückte sich durch.
Ich erlebte es nicht zum ersten Mal bei einer Kreatur der Finsternis. Dabei hatte ich schon die irresten und schrecklichsten Monster entdeckt. Figuren die sich normalerweise nur ein traumatisierter Maler ausdenken konnte. In diesem Fall sah ich weder einen Schweine- noch einen Rinderkopf mit hässlichen Reißzähnen, sondern eine ganz andere Gestalt, die meiner Meinung nach die Urdämonen perfekt präsentierte.
Es war ein Drache!
Grün und dunkel zugleich. Mit einer langen, hässlichen Schnauze. Mit einem gezackten Kamm auf dem Kopf. Das war nicht nur ein Gesicht, da veränderte sich bereits der gesamte Körper, womit Alina auch nicht gerechnet hatte, denn sie stoppte, und ich sah, dass sie zitterte.
Dorian Wade bewegte sich zurück. Als Mensch hätte er gesprochen. Als schon fast in einen Drachen verwandeltes Monstrum tat er dies auf seine Weise.
Aus dem Drachenmaul fegte plötzlich eine armlange Zunge aus Feuer hervor. Zugleich war sie eingehüllt in einen grauen Rauchschleier,
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