1168 - Nach den Regeln der Hölle
Wort Mutter brachte sie nicht über die Lippen.
»Tu mir den Gefallen, Kind, und komm zu mir. Egal, was auch geschehen ist, was immer in den Jahren passierte. Jetzt musst du bereit sein, über den eigenen Schatten zu springen. Nur so können wir noch etwas ändern.«
»Was soll denn geändert werden?«
»Ich weiß es nicht. Ich…«, ein Schrei war zu hören. Danach brach die Stimme abrupt ab.
Alina riss den Hörer vom Ohr weg und hätte ihn dabei fast zu Boden geworfen. Im Nachgreifen fing sie ihn auf. Noch zur rechten Zeit, denn ihr Onkel meldete sich wieder.
»Nun? Zufrieden?«
Die Antwort war nicht mehr als ein zustimmender Hauch.
»Perfekt!«, freute sich Dorian Wade. »Dann können wir ja zu den eigentlichen Dingen kommen. Dinge, die wichtig sind, und zwar für uns beide. Es ist gar nicht so schwer, liebe Nichte. Du kennst den Ort, an dem ich dich erwarte. Du bist gestern schon mal dort gewesen. Es ist der Friedhof, auf dem sich das Grab deines Vaters befindet. Und genau dort werden wir uns treffen. Am Grab. Verstanden?«
Das hatte sie. Aber sie stimmte nicht zu und machte den Anrufer wütend. »Ich will eine Antwort hören.«
Alina brach beinahe zusammen. »Ja«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Ich habe verstanden. Ich werde auch so schnell wie möglich dort sein.«
»Das glaube ich dir sogar. Du wirst alles tun, was ich von dir verlange. Du lebst ja noch. Dass du noch lebst, so denkst du, verdankst du deinen beiden Freunden. Aber für sie ist die Sache jetzt gelaufen. Solltest du sie mitbringen, bist nicht nur du verloren, sondern auch deine Mutter. Ich werde merken, ob dir jemand folgt, meine Kleine. Und deshalb wirst du allein auf den Friedhof kommen. Nicht einmal eine Maus wird bei dir sein. Kapiert?«
»Ha… habe ich.«
»Gut, den Weg kennst du. Ich gebe dir keine Uhrzeit vor. Nur komm so schnell wie möglich.«
Damit war das Gespräch beendet. Und jetzt rutschte Alina tatsächlich der Hörer aus der schweißfeucht gewordenen Hand.
Jane legte ihn auf den Apparat, ich kümmerte mich in der Zwischenzeit um Alina. Mag sein, dass ich zu hart in diesen für sie schlimmen Augenblicken vorging, aber das musste sein. Es würde sich im Endeffekt auch für sie als günstig herausstellen, hoffte ich.
Ich legte beide Hände auf ihre Schulter. Er war keine sehr zärtliche Geste, denn ich schüttelte sie durch. »Hör zu, Alina, es kommt jetzt auf dich an. Wo genau befindet sich das Grab deines Vaters?«
Der Friedhof war mir bekannt, aber ich wusste nicht, wie man auf diesem Gelände das Grab am schnellsten finden konnte.
Jane griff ein. Sie wollte mich zurückreißen. »Bist du verrückt, John? Was tust du da?«
Ich schüttelte ihre Hand ab. »Lass mich. Ich will die Beschreibung haben. Ich brauche sie für Suko.«
Was Alina nicht begriff, hatte Jane Collins verstanden. »Okay«, sagte sie, »schon gut…«
Alina begann zu weinen. Aber sie hatte meine Frage verstanden, und sie war auch in der Lage, mir eine Beschreibung zu geben, die ich mir sehr gut merkte.
»Danke«, sagte ich nur, ließ Alina los und drehte mich von ihr weg. Nach dem nächsten Schritt hielt ich bereits mein Handy in der Hand, um Suko anzurufen.
Jetzt musste er ran. Zumindest sollte er so etwas wie eine Deckung aufbauen. Uns kannte diese verfluchte Kreatur der Finsternis, aber Suko war ihr unbekannt.
Darauf baute ich meinen Plan…
***
Getrennt marschieren, vereint zuschlagen!
Mehr als ein Mal hatte Suko dies zusammen mit seinem Freund und Kollegen John Sinclair praktiziert, und auch in diesem neuen Fall würde es wieder so laufen. Beide waren ein eingespieltes Team. Da konnte sich der eine auf den anderen verlassen, ohne große Worte darüber zu verlieren.
Suko war zwar nicht in jedes Detail eingeweiht worden, er wusste allerdings genug, um sich entsprechend verhalten zu können. Der Anruf hatte den Inspektor beim Verlassen der Wohnung erreicht. Es war jemand, der konzentriert zuhören konnte, das hatte er auch in diesem Fall wieder unter Beweis gestellt.
Suko verlor so leicht nicht seine Ruhe, auch wenn ihn der immer stärker werdende Berufsverkehr störte. Seinen Zenit hatte er noch nicht erreicht. Suko hatte noch die Chance, gewisse Schleichwege zu nehmen, die ihn an sein Ziel brachten.
Er stellte den BMW am Hautpeingang des Friedhofs ab. Von diesem Ort aus war ihm der Weg beschrieben worden. Er hatte alles behalten und sich als Sicherheit noch wenige Notizen gemacht.
Es war eine stille Welt, durch die sich der
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