1170 - Baphomets Beute
können, denn die Lampe stand auf dem Nachttisch und in Reichweite.
Julia ließ es bleiben. Auch wenn sie nur den Arm bewegte, würde sie sich anstrengen, und das wollte sie unter allen Umständen vermeiden. Es war besser, wenn sie nichts tat. Einfach nur liegen bleiben und abwarten, was passierte.
Dass etwas passieren würde, stand für sie fest. Ihre Gedanken bewegten sich wieder in eine bestimmte Richtung, denn sie konnte es drehen und wenden, aber sie kam nicht daran vorbei. Sie hatte tatsächlich ein Kind zur Welt gebracht.
Julia versuchte sich zu erinnern, wie es kurz nach der Geburt ausgesehen hatte. Es war nicht möglich. Sie hatte nur das heftige Lachen dieser Dora gehört. Ihr war auch der Triumph nicht entgangen, der darin mitgeschwebt hatte. So wie Dora lachte nur eine große Siegerin.
Das Kind war da, aber es war verschwunden. Geholt worden. Weggeschafft. Doch von wem?
Julia hatte sich einige Gedanken darüber gemacht. Mit den Ergebnissen allerdings war sie nicht zufrieden gewesen. Ihr waren einige Möglichkeiten durch den Kopf geschossen. Mit keiner davon hatte sie sich anfreunden können.
Das Kind war weg. Sie wusste nicht, ob sie es je wiedersehen würde. Und irgendwo wollte sie das auch nicht. Vielleicht war Dora jetzt die Amme, die das Kind großziehen wollte.
Es hätte ihr sogar gefallen…
Bei diesem Gedanken bewegten sich Julias Lippen zum ersten Mal, sodass sie lächeln konnte. Bisher war der Gesichtsausdruck so starr wie ihr Körper gewesen. Nun dachte sie anders und beschäftigte sich auch mit der nahen Zukunft.
Etwas musste mit ihr geschehen. Etwas würde auch mit ihr geschehen, das stand fest. Nur wollte sie nicht daran glauben, dass man sie in den Tagen oder Wochen hier im Krankenhaus liegen ließ. Da musste einfach etwas passieren, und sie war auch sicher, dass sie nicht lange allein bleiben würde.
Dabei fiel ihr der Name Jane Collins ein!
Es war schon komisch, dass sie gerade zu der Frau, die sie in den Knast gebracht hatte, ein so großes Zutrauen fasste. Die Detektivin war ihr von Beginn an sympathisch gewesen. Aus diesem Grunde hatte sie sich auch vertrauensvoll an sie gewandt, als die Schwierigkeiten einfach zu groß geworden waren. Julia traute Jane zu, dass sie einen Ausweg wusste.
Aber auch Jane hatte die Geburt nicht verhindern können. Mit diesem Makel musste Julia einfach leben.
Sie wartete. Sie blieb allein. Die Tür des Zimmers schloss sehr dicht, sodass sie auch von außen nichts hörte. Die Stille kam ihr schon bedrückend vor.
Als hätte die der Teufel geschickt und mit ihr einen unsichtbaren Zaun gezogen.
Aber das blieb nicht so.
Zwar veränderte sich äußerlich nichts in ihrem Krankenzimmer, doch sie merkte genau, dass etwas hineingedrungen war, und das trotz des geschlossenen Fensters und der dicken Wände und der ebenfalls geschlossenen Tür.
Was war das?
Julia lag weiterhin starr. Sie bewegte nur ihre Augen, um so viel wie möglich sehen zu können.
Irgendwo in diesem Raum tat sich etwas. Sie war nicht mehr allein.
War es der Geruch?
Schon möglich. Da hatte sich etwas verdichtet. Es war kein Geruch, schon mehr ein Gestank. Ihrer Meinung nach roch es verbrannt und zugleich kalt. Wie Asche, die lange auf einem Rost gelegen hatte und nicht weggeräumt worden war.
Die junge Frau merkte, dass sie von Sekunde zu Sekunde nervöser wurde. Obwohl es kein Wasser in der Nähe gab, hatte sie den Eindruck, als wären kleine kalte Wassertropfen dabei, ihren Nacken hinab und über den Rücken zu fließen.
An der Tür sah sie die Bewegung.
Zuerst glaubte sie an eine Täuschung. Überreizte Nerven können einem Menschen manchmal einen Streich spielen. Bei genauerem Hinsehen musste sie zugeben, dass sie sich nicht getäuscht hatte. An der Tür hatte sich tatsächlich etwas bewegt.
Lautlos. Es war nicht zu hören. Es glitt über den Boden hinweg wie ein Schatten, und es war auch nicht mehr als ein Schatten. Sie hatte sich so sehr auf diesen Eindringling konzentriert, dass ihr erst jetzt auffiel, wie die Tür aufschwang. Jemand hatte sie nach außen gezogen und eine Lücke geschaffen.
Julia hielt den Atem an. Sie verkrampfte sich unter der Bettdecke. Zugleich begann sie noch stärker zu schwitzen. Jetzt hörte sie sogar ihren Herzschlag.
Es war nicht einmal eine tiefe Angst, die sie überfallen hatte, sondern der Eindruck, eine Fortsetzung von dem zu erleben, was ihr schon mal widerfahren war.
Kam ER?
Julia hielt den Atem an. Sie hatte das Gefühl, in einer
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