1170 - Baphomets Beute
Licht war hell genug, um ihn erkennen zu lassen, was unter dem Vorhang verborgen gewesen war.
Es war grauenhaft und ekelerregend!
***
Man hatte Julia Coleman im Krankenhaus entsprechend behandelt und dann in ein Einzelzimmer verlegt. Es lag in einem kleinen Seitentrakt, weg von den meisten anderen Patienten. Hier wurden hin und wieder auch Prominente behandelt. Diese Verlegung war auf Anraten der Polizei geschehen. Das hatte Julia noch mitbekommen. Wenig später war sie in einen Zustand hineingeglitten, den sie selbst kaum beschreiben konnte. Es war ein Schwanken zwischen Wachsein und Schläfrigkeit gewesen. Sie hatte die Realität nur verschwommen wahrgenommen.
Sie wusste, dass man sie untersuchte. An die Gesichter konnte sich Julia nicht erinnern. Menschen sprachen miteinander, und dem Klang der Stimmen nach zu urteilen, schienen sie erstaunt zu sein.
Das alles focht Julia nicht an. Sie lag in ihrem Bett und musste alles über sich ergehen lassen. Wehren konnte sie sich nicht. Sie hätte es auch gar nicht gewollt.
Irgendwann verschwanden die Ärzte. Man gab ihr etwas zu essen. Eine Suppe, die sie aus einer Schnabeltasse trank. Sie wurde von einer Schwester gehalten, deren Gesicht permanent ein Lächeln zeigte, als wollte sie die Kranke aufmuntern.
Julia sagte nichts. Sie trank, lehnte sich wieder zurück und wurde allein gelassen. Dass sie am Tropf hing, hatte sie gesehen. Es störte sie nicht weiter. Sie wollte auf keinen Fall von irgendwelchen Menschen gestört werden, auch wenn sie es noch so gut mit ihr meinten. Allein bleiben und an etwas Bestimmtes denken.
Und die Gedanken kamen. Auch wenn sie es gewollt hätte, es wäre ihr nicht gelungen, sie zu vertreiben, denn das Unterbewusstsein war stärker als das normale Bewusstsein.
Es kam alles wieder hoch.
Nicht nur die Bilder der Vergangenheit, die noch nicht lange zurücklag, sondern auch Szene aus einer Zeit, die sie schon vergessen gewähnt hatte.
Die Zelle. Die Einsamkeit, unter der Julia gelitten hatte. Trotz ihrer Freundin Muriel Sanders, die den kleinen Raum zusammen mit ihr geteilt hatte.
Und dann war ER gekommen!
Der Schatten, der Böse, der Gehörnte. Der Widerliche und auch der Unmenschliche, der trotzdem etwas Menschliches mit ihr getan hatte. Natürlich erinnerte sie sich daran, aber sie wollte sich nicht mehr an die Einzelheiten erinnern. Sie war so starr gewesen. Sie hatte sich auch in dieser dunklen und schrecklichen Stunde nicht bewegen können. Von Muriel hatte es keine Hilfe gegeben. Sie hatte im anderen Bett gelegen und tief und fest geschlafen.
Noch jetzt spürte sie den körperlichen Druck des Anderen. Für sie war es wie ein Alb gewesen, der Gestalt angenommen hatte. Da war aus der Hölle der Bote geschickt worden und hatte ihr bewiesen, wie stark die andere Seite war.
Und doch war sie mit ihm nicht allein gewesen. Jemand hatte noch zugeschaut. Jetzt, wo Julia Ruhe hatte, drängten sich die Gedanken in ihr hoch. Aus den Gedanken wurden Bilder.
So wie jetzt im Bett hatte sie damals auch auf der Pritsche gelegen. Es war schlimm gewesen, aber sie hatte die Augen bewegt und in die Höhe geschaut.
Zwei Gesichter waren noch vorhanden gewesen. Zwei Frauengesichter. Nicht unbekannt.
Reddy und Dora!
Das Paar überhaupt. Gefürchtet, gehasst. Sie waren in die Zelle gekommen und hatten sie erst verlassen, als alles vorbei gewesen war. Sie hatten sogar beruhigend auf sie eingeredet und sie auch manchmal festgehalten, aber sie hatten nichts getan, um das Unheil zu verhindern.
Und jetzt war das Kind da!
Auch bei der Geburt war ihr geholfen worden. Da verschwamm ihre Erinnerung. Sie wurde eingebettet in das Meer von Schmerzen, das sie durchlitten hatte. Es war einfach grauenvoll gewesen, und was dann geschehen war, daran erinnerte sie sich nur schlecht oder gar nicht. Richtig zu Bewusstsein gekommen war sie erst in diesem Zimmer. Auch das nur für kurze Zeit. So hatte sie nicht mitbekommen, was sich genau in der Umgebung abgespielt hatte.
Jetzt war Julia allein!
Und sie schaffte es auch, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren. Sie hielt den Körper gestreckt, über dem eine dünne Decke lag. Sie endete dicht unter dem Kinn und bedeckte auch die Füße. Julias Kopf lag leicht erhöht. In dieser Haltung konnte sie auch einen Blick gegen das Fenster werfen.
Dahinter breitete sich der Tag aus. Aber er war grau. Das sah sie an dem Licht, das durch die Lücken zwischen den Lamellen fiel. Sie hätte es im Zimmer heller machen
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