1171 - Emilys Engelszauber
um. »Das kann ich dir nicht genau sagen. Wenn du mich fragst, ob ich mich wohl fühle, dann muss ich das leider verneinen. Hier möchte ich nicht begraben sein.«
»Brauchst du auch nicht.«
Sie war noch nicht fertig. »In dieser Klinik sind Menschen, die mit ihrer Angst fertig werden müssen. Sie sollen sie überwinden. Wenn ich mir den Bau so anschaue, dann gelange ich zu einem ganz anderen Ergebnis. Die Klinik kann einem Angst einjagen oder eine vorhandene noch verstärken. So sehe ich das.«
»Nicht zu Unrecht.« Auch ich blieb noch sitzen. »Mich wundert nur, dass Emily wieder da ist. Der Typ hat das so locker gesagt, als wäre zuvor nichts geschehen. Das glaube ich einfach nicht. Hier muss etwas passiert sein.«
»Oder Emily hat einen Weg gefunden, um kommen und gehen zu können, wann sie will.«
»Das kann auch sein.«
»Außerdem darfst du ihre Helfer nicht vergessen. Je mehr ich darüber nachdenke, hat sie die Himmelsboten oder wen auch immer zu Hilfe geholt. Die beiden Typen hatten nie eine Chance gegen sie. Aber sie haben nicht auf die Warnungen gehört.«
»Wer kann sie sein? Wo kommt sie her?«
»Das hat sie nicht gesagt.«
»Aber du hattest das Gefühl, dass sie schon ein Mensch war und kein Engel?«
»Ja. Wenn ich sie mir wieder vorstelle, bin ich mir nicht so sicher. Sie sah irgendwie anders aus. Nicht eben hilflos, sondern so scheu und…«
»Lass es, Glenda. Ich kann mir denken, was du damit sagen willst.«
»Okay.« Sie stieg als Erste aus. Ich verließ den Wagen ebenfalls und trat hinein in die kühle und feuchte Luft.
Am Fuß der Treppe blieben wir noch einmal stehen. Beide blickten wir in den Park zurück und sahen den Weg, der wie ein graues Band unter den Bäumen verschwand, als würde er dort in das Dunkel einer anderen Welt führen.
Glenda hob die Schultern wie jemand, der friert. »Das gefällt mir hier nicht. Und das ist erst der Anfang.«
»Wie meinst du?«
»Wir müssen noch hinein.« Sie deutete auf die wuchtige Eingangstür der Klinik.
Bevor wir die Tür erreichten, wurde sie geöffnet. Sie schwang langsam nach innen, als wollte jemand bewusst genießerisch das Tor zu einer anderen Welt öffnen.
Auf der Schwelle stand eine Frau. Sie sagte nichts und schaute uns nur entgegen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie längst wusste, wer wir waren. Der Mann am Eingang hatte ihr bestimmt einen entsprechenden Tipp gegeben.
Die Person trug einen weißen Kittel. Er war nicht geschlossen, sodass wir unter dem Kittel das rote Kostüm sehen konnten. Es war ein sehr dunkles Rot, schon ochsenblutfarben.
»Die Person ist mir unsympathisch«, raunte mir Glenda zu. »Eiskalt, verstehst du?«
Ich musste leicht lächeln. So schnell wie Glenda stufte ich in diesem Fall die Menschen nicht ein. In gewisser Hinsicht hatte sie schon Recht.
Es mochte auch daran liegen, dass wir von unten die Stufen hochstiegen und die Frau im Kittel über uns stand. So schaute sie auf uns herab wie eine strenge Gouvernante.
Das Haar war grau und zu einer perfekten Frisur gelegt. An den Seiten, in Höhe der Ohren, stand es vom Kopf ab wie die Haube einer Nonne. Da musste einiges an Haarspray draufgegangen sein, um die Frisur so in Form zu halten. Die Frau besaß einen breiten Mund und ein wuchtiges Kinn. Dunkle Brauen wirkten scharf wie gezeichnet, und das Gestell der Brille passte sich der Farbe an.
Als wir die Treppe hinter uns gelassen hatten und vor ihr standen, da verschwand ihre Größe. So relativierten sich die Dinge wieder. Glenda war hinter mir geblieben. Sie wollte mir das Reden überlassen, und ich nahm die Einladung gern an.
»Guten Abend«, sagte ich. »Mein Name ist John Sinclair, und meine Begleiterin heißt Glenda Perkins.«
»Ja, Sie sind beide von der Polizei.« Eine klare Antwort. Gesprochen mit einer Stimme, die uns beide überraschte. Sie klang nicht dunkel oder rau, wie man es bei dieser Person vermutet hätte. Nein, uns wehten die Worte mehr als ein Flüstern entgegen, als hätte die Person Angst, jemand zu wecken.
»Man hat Sie also vorgewarnt.«
»So sollten Sie das nicht nennen, Mr. Sinclair. Es ist bei uns Usus, dass Besucher angemeldet werden. Es dient auch unserer aller Sicherheit, schätze ich mal.«
»Gut erklärt.«
»Ich bin übrigens Dr. Gillian Foster und im Moment die Leiterin der Klinik, da der Professor sich auf einem Kongress befindet. Wenn also Fragen zu beantworten sind, stehe ich Ihnen zur Verfügung. Wenn Sie dann eintreten möchten…«
Das ließen
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