1176 - Der unheimliche Leichenwagen
und ich konzentrierte mich wieder auf die Entführung und schaute Carina Thomas an.
Ihr Vater hatte sich neben sie gestellt und eine Hand auf ihre Schulter gelegt. In seiner imposanten Größe wirkte er wie ein mächtiger Schutzpatron.
»Sie haben den Unbekannten ja gesehen, Carina. Sie haben ihn auch beschrieben. Können Sie sich jetzt, wo Sie etwas Abstand haben, an Einzelheiten erinnern?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, bei ihm nicht. Er trug diese Kutte und hatte noch eine Kapuze über den Kopf gestreift. Natürlich lag sein Gesicht frei, aber es war kein Gesicht.« Ihr Mund verzog sich.
»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll oder wie ich es beschreiben kann. Ein Gesicht war es jedenfalls nicht. Ich habe weder Augen, Nase, noch Mund erkennen können. Es sah unter der Kapuze alles sehr flach und grau aus. So… so… unbestimmt. Ich habe noch nie ein Gespenst gesehen, aber so könnte ich es mir vorstellen.« Sie lachte plötzlich unecht auf. »Ich weiß, das klingt komisch und blöd, aber irgendwie ist das so. Ich war nur froh, dass ich heil genug aus dieser verdammten Lage herauskam. Rio hat es nicht geschafft.«
»Danke, Carina.« Ich war davon überzeugt, dass sie alles gesagt hatte. Aber so völlig spurlos zu verschwinden, das bereitete mir schon Sorgen. Hinzu kam noch etwas anderes. Dieser Mönch hatte einen Leichenwagen gefahren. Und zwar keinen modernen, sondern ein altes Vehikel oder einen Oldtimer, der auf den Straßen nicht mehr zu finden war, weil seine Zeit schon sehr lange zurücklag.
Auch die beiden Männer konnten zur Aufklärung nichts beitragen. Etwas betreten schauten sie ins Leere.
Da mir der Wagen nicht mehr aus dem Kopf wollte, sprach ich Thomas und den Kollegen Butcher darauf an. »Sie haben beide die Beschreibung des Fahrzeugs mitbekommen. Deshalb frage ich Sie, ob es hier in der Nähe ein solches Auto gibt.«
»So eines hat keiner«, erwiderte Butcher.
»Sind sie sicher?«
»Bestimmt.«
»Und was ist mit Ihnen, Mr. Thomas?«
Der Feuerwehrmann zuckte mit den Schultern. »Ich habe auch darüber nachgedacht, aber mit einem derartigen Fahrzeug fährt niemand herum. Das wäre aufgefallen.«
»Es gibt aber Sammler alter Autos«, meinte Suko. »Kennen Sie jemand, der dieses Hobby hat?«
Butcher und Thomas schauten sich an. Schon ihren Gesichtern war anzusehen, dass sie keinen Bescheid wussten. Es gab wohl niemand in Beckton und Umgebung, der alte Autos sammelte und schon gar keine Leichenwagen.
»Ich kenne hier wirklich viele Menschen, Mr. Sinclair«, sagte Butcher, »aber ein Sammler von Oldtimern befindet sich nicht darunter. Das ist unmöglich. Der Wagen ist… er muss ein Spuk sein, wie auch sein Fahrer.«
»Aber Rio war kein Spuk!«, rief Carina. »Und jetzt ist er weg. Verschwunden. Gekidnappt. Vielleicht schon tot.«
»So würde ich nicht denken«, sagte ich. »Dass er mittlerweile wieder bei sich zu Hause eingetroffen ist, daran glauben Sie nicht?«
»Rio lebt allein. Ich habe ja bei ihm angerufen. Es hat sich niemand gemeldet.«
»Waren Sie in seiner Wohnung?«
»Nein.«
»Würden Sie uns dorthin begleiten?«
Carina hob den Blick und schaute uns aus großen Augen an. »Glauben Sie mir nicht?«
»Das hat damit nichts zu tun«, stellte ich richtig. »Wir müssen allen Spuren nachgehen, auch wenn sie manchmal so aussehen, als wären sie keine. Es ist möglich, dass wir in der Wohnung Ihres Freundes einen Hinweis finden.«
»Ich habe da nichts gesehen.«
»Das war vor der Entführung«, gab ich zu Bedenken.
Carina schaute ihren Vater an. Sie wollte wissen, was er zu meinem Vorschlag sagte, und er gab ihr grünes Licht. »Ich denke, dass du den beiden Männern vertrauen kannst. Geh mit Ihnen in diese Wohnung, und danach lass dich nach Hause bringen. Ich rufe auch in deiner Bank an und entschuldige dich.«
»Danke, Dad.«
Thomas blickte auf seine Uhr. »Sie müssen mich entschuldigen, meine Herren, aber der Dienst ruft, und ich kann die Kollegen nicht allein lassen.«
»Das verstehen wir.«
Er reichte uns zum Abschied wieder die Hand und schaute uns dabei fest in die Augen. »Bitte, passen Sie auf meine Tochter auf. Ich möchte sie nicht verlieren.«
»Keine Sorge, Mr. Thomas«, beruhigte ich ihn. »Das werden wir machen.«
»Dann ist es gut.«
Als ihr Vater den Raum verlassen hatte, erhob sich Carina von ihrem Stuhl. »Er ist eben besorgt um mich«, sagte sie mit leiser Stimme. »Für ihn werde ich nie erwachsen.«
»Das kann auch manchmal gut sein«,
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