1176 - Der unheimliche Leichenwagen
fiel. Ein sehr kleiner Flur nahm uns auf. Drei Türen zweigten davon ab. Zwei seitlich, eine sahen wir vor uns. Es waren nur wenige freie Wandstücke vorhanden. Die aber hatte der Elvis-Fan mit Plakaten zugeklebt. Und natürlich sahen wir nur den King of Rock, wie er sich zumeist präsentiert hatte. In seinem weiß-beigen Anzug mit angedeutetem Hüftschwung und Gitarre. So war der Elvis gewesen wie ihn Millionen geliebt hatten und noch immer liebten.
Suko hatte die beiden Seitentüren geöffnet. Ein winziges Bad und eine kaum größere Schlafkammer mit einem Bett und handtuchschmalem Schrank bekamen wir zu sehen. Durch die beiden schrägen und recht kleinen Fenster fiel Licht und hinterließ auf den Möbeln und dem Boden hellere Streifen.
Draußen war es recht kühl. Hier aber stand die Wärme. Es war lange nicht mehr gelüftet worden.
Das änderte Carina, denn sie hatte den größeren Raum betreten, der sich aus Küche und Wohnzimmer zusammensetzte. In den beiden anderen Zimmern hatten wir auch Plakate und Bilder gesehen, und natürlich waren auch die freien Flächen im Wohnzimmer damit beklebt worden.
Elvis, wohin unsere Blicke auch fielen. Mal allein, mal mit Kumpeln oder Girls, die sich in seiner Nähe alle sehr happy fühlten, denn sie strahlten um die Wette.
Möbel aus den Sechzigern. Die kantigen Sessel, der glatte Tisch, der schmale Schrank, aber die Glotze und die Hifi-Anlage sahen recht modern aus. Der hohe Kassettenständer war bis zum oberen Rand mit Elvis CDs gefüllt.
Für eine Couch war kein Platz mehr, denn eine Wand wurde von einer hellbraunen Küchenzeile eingenommen. Es gab einen Kühlschrank, ein Spülbecken, aber keine Waschmaschine und auch keinen Herd. Rio hatte eine Mikrowelle gereicht.
Das schräge Fenster war stark gekippt. Unsere Blicke fielen gegen den Himmel. Graue Wolken trieben wie Schleier vorbei, aber sie waren schon dünner geworden. Das ließ auf Sonne hoffen.
Carina sagte: »Mehr kann ich Ihnen wirklich nicht bieten, das ist Rios Reich.«
»Was war er beruflich? Musiker?« Nach meiner Frage lachte sie. »Das wäre er für sein Leben gern geworden, aber es muss einem schon in die Wiege gelegt werden. Nein, Rio arbeitet in einer Autowerkstatt.«
»Hat er nicht mal versucht, ein Instrument zu spielen?«
»Nein, Mr. Sinclair. Er hörte eben Elvis. Es gibt ja die CDs, darüber war er froh.«
Suko hatte sich neben einen dieser steifen Sessel gestellt. Er sah nicht eben erfreut aus, und auch ich dachte daran, dass wir wohl den falschen Weg gegangen waren. Okay, wir konnten die Wohnung noch durchsuchen, aber mein Gefühl sagte mir, dass dies nichts brachte. Rio war kein Gangster. Er war ein normaler Mensch, der durch Zufall in einen verdammt gefährlichen und auch unerklärlichen Kreislauf geraten war. Nicht mehr und nicht weniger.
»Sind Sie jetzt enttäuscht?«, fragte Carina.
Ich zuckte die Achseln. »Nicht direkt. Außerdem hätte es ja sein können, dass wir Rio hier vorfinden.«
»Nein, Mr. Sinclair, nein. Das habe ich gewusst. Rio ist nicht hier, er kann es nicht sein. Man hat ihn geholt, und ob er je freigelassen wird, weiß ich auch nicht.« Sie hüstelte gegen ihre Hand. »Ich kann das alles nicht begreifen. Das ist nicht normal. Etwas ist brutal in unser Leben eingedrungen, und jetzt stehe ich da wie vor einer Wand. Ich weiß nicht aus noch ein.«
Das konnten wir verstehen. Wir waren zwar nicht unmittelbar beteiligt gewesen, aber die Erzählungen hatten ausgereicht. Und jetzt ärgerte ich mich, dass wir auch hier ins Leere fassten.
Zwischen uns hatte sich Schweigen aufgebaut. Ich ging zum offenen Fenster und schaute nach draußen. Viel war nicht zu sehen. Nur die Dächer und die Fassaden der umliegenden Häuser. Der Blick auf den Fluss war mir verwehrt.
Als ich einen Schritt zurückging und mich umdrehte, hörte ich noch in der Bewegung das Seufzen der jungen Frau.
»He, was ist?«
Die Frage hatte Suko gestellt. Er war überrascht von Carinas Verhalten.
Sie hatte sich nicht gesetzt, stand noch immer an der gleichen Stelle. Trotzdem war mit ihr etwas passiert, denn sie wirkte steif und hatte eine Hand gegen ihre Kehle und das Kinn gelegt.
»Carina, was ist?« fragte Suko.
Sie schüttelte den Kopf.
»Geht es Ihnen nicht gut?«
Diesmal gab sie eine Antwort. »Es… es… ist so komisch«, flüsterte sie, »wie in der Nacht…«
Ich erinnerte mich, dass sie etwas von einem kalten Hauch erzählt hatte und stellte ihr direkt diese Frage.
»Nein, Mr.
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