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1176 - Der unheimliche Leichenwagen

1176 - Der unheimliche Leichenwagen

Titel: 1176 - Der unheimliche Leichenwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Verlass. Auch jetzt hatte er die Ohren gespitzt. Er lauschte praktisch in das Gebüsch hinein, und ich schlich auf leisen Sohlen zu ihm.
    Es war wohl der Moment, in dem wir das Geräusch gleichzeitig vernahmen, denn aus dem dichten und struppigen Dunkel vor uns hörten wir nicht nur das Knacken von Zweigen, sondern auch eine Stimme, die etwas vor sich hin murmelte oder sang.
    Ja, sie sang…
    Und es war ein Elvis-Song. Ein softiger. »Love me tender…«
    Suko drehte seinen Kopf nach rechts. »Weißt du, wer da herumturnt, John?«
    »Sicher, Rio Redcliff.«
    Nach meiner Antwort war er nicht mehr nur zu hören, jetzt konnten wir ihn auch sehen. Er bewegte beide Arme und bahnte sich einen Weg durch das Buschwerk. Es war nicht einfach, denn viele Zweige waren zäh und biegsam. Einige von ihnen waren voller Dornen, die sich in der Kleidung verhakten, als wollten sie den jungen Mann immer wieder von seinem Vorhaben abhalten.
    Er kam trotzdem näher.
    Sein Gesicht erschien als hellerer Fleck, dann war er so weit vorgekommen, dass er die letzten Hindernisse zur Seite räumte und mit einem langen Schritt die Straße betrat, wo wir standen.
    Auch er blieb stehen.
    Sein Gesang verstummte schlagartig, als er uns sah. Er schaute in unsere Gesichter, und wir waren nahe genug bei ihm, um zu erkennen, dass mit ihm etwas nicht stimmte.
    Es hatte nicht an seinem Gesang gelegen, uns irritierte der Ausdruck seines Gesichts. So wie er sah ein Mensch aus, daran gab es keinen Zweifel. Doch mit diesem Menschen war etwas passiert, das er nicht hatte fassen können.
    Sein Geist war verwirrt. Das sahen wir am Ausdruck seiner Augen. Da war nichts mehr zu machen.
    Bei der ersten Begegnung hatten wir ihn als fiktive Gestalt gesehen, nun aber stand er normal bei uns, weil ihn die Vergangenheit entlassen hatte.
    Ich wollte es trotzdem nachprüfen und streckte die Hand aus, um ihn anzufassen.
    Das gelang. Meine Hand wischte nicht hindurch. Vor uns stand ein Mensch aus Fleisch und Blut.
    »He, Rio…«
    Zumindest meine Stimme hatte er gehört, und er drehte mir auch sein Gesicht zu.
    »Geht es dir gut?«
    »Love me tender«, sagte er wieder. Wahrscheinlich war es sein Lieblingssong.
    »Wo bist du gewesen?«
    »Weg!«, summte er vor sich hin. »Ich war weg…«
    »Mit dem Auto?«
    »Und bei ihm.«
    »Bei Valentin, nicht?«
    »Er hat mich gemocht.«
    »Aber jetzt nicht mehr.«
    »Ich habe die Hölle gesehen.«
    »Echt?«
    »Klar.«
    »Wie sah sie denn aus?«
    Seine Antworten waren bisher recht spontan erfolgt. Das änderte sich nun. Auf sein Gesicht trat ein Ausdruck der Angst. Er wich vor uns zurück und streckte uns die gespreizten Hände entgegen.
    Die Erinnerung kehrte intervallweise zurück, und genau dies spiegelte sich auch auf seinem Gesicht wider, in dem der Ausdruck der Angst sich immer mehr verstärkte und dabei panikartige Züge annahm.
    »Feuer!«, schrie er plötzlich so laut, dass seine Stimme überkippte. »Ich habe das Feuer gesehen. Den - Teufel. Den großen Dämon. Sie waren alle da.«
    Mit jedem Wort hatte sich seine Stimme gesteigert. Die Worte hallten über die Straße hinweg und hinein in den Wald, wo sie verschluckt wurden. Dann brüllte er fast unmenschlich in seiner Angst auf, warf sich herum und taumelte mit mächtigen Schritten wieder in das Gebüsch hinein. Er ruderte dabei mit beidem Armen, um sich freie Bahn zu verschaffen. Er wollte so schnell wie möglich weg von einem Ort, an dem er an das Grauen erinnert worden war.
    Wir hatten vorgehabt, die Verfolgung aufzunehmen, um mehr erfahren zu können, und wir hätten ihn bestimmt auch eingeholt, aber es passierte etwas, das uns von unserem Vorhaben Abstand nehmen ließ.
    Ohne dass es ein äußeres Zeichen gegeben hätte, veränderte sich plötzlich die Luft. Nein, das war irgendwie falsch. Die gesamte Umgebung erfuhr eine Veränderung, und wir hatten dieses Phänomen schon in der Wohnung erlebt.
    Hier auf dieser Straße und jetzt auch im Freien, trafen die Zeiten zusammen. Auf der einen Seite war es die wartende Gegenwart, auf der anderen die Vergangenheit, die sich immer mehr näherte oder uns schon erreicht hatte.
    Wir erlebten die Veränderung der Sicht. Dabei wurde es auf keinen Fall finster, nein die Dämmerung blieb, aber sie erhielt zugleich ein anderes Aussehen. Sie wirkte wie mit dünnem Glas oder Metallstreifen durchdrungen. Auch die Geometrie der Gegend blieb davon nicht verschont. Die Kurve war noch vorhanden, nur sah ihre Krümmung jetzt anders aus, denn sie

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