1177 - Der Weg in die Unterwelt
Pluto in die Unterwelt, den Hades, führte.
Hades gleich Hölle?
Das konnte sein, obwohl es mir schwer fiel, dies zu glauben. Es musste nicht stimmen. Es konnte alles ein Gleichnis sein, etwas Ähnliches. Allerdings blieb die Tatsache, dass Melody und ihre Mutter verschwunden waren.
Wenn sie wieder erschienen, was ich stark hoffte, wie würden sie dann aussehen? Würden wir auch Melody als Skelett erleben? Ich wollte nicht daran denken. Irgendwie hatte ich das Mädchen ins Herz geschlossen.
»Komm zurück!«, rief mir Bill zu. »Es hat keinen Sinn. Du holst dir sonst noch was weg!«
»Ja, ist okay.«
Ich war sauer, ich war enttäuscht. Ich spürte auch jetzt die Kälte, die allmählich in meinen Körper gekrochen war. Deshalb war ich froh, mich bewegen zu können.
Allerdings schwamm ich langsamer zurück. Meine Gedanken beschäftigten sich dabei mit dem See.
Welches Geheimnis steckte in ihm, und wo verbarg es sich genau?
In der Tiefe?
Ich hatte nicht die geringste Ahnung davon, wie tief das Wasser hier war. Durch die dunkle Färbung wirkte es irgendwie bodenlos, doch zu tief waren die kleinen Gewässer meistens nicht. Dafür war ihr Grund hoch mit Schlamm bedeckt.
Bill stand auf dem Steg und beobachtete das Wasser. Auch er entdeckte den Nebel nicht, der sich so schnell verflüchtigt hatte wie er gekommen war.
Auch der Nebel war für mich ein Problem. Woher stammte er? Wo hatte er seinen Ursprung?
Wenn ich an Nebel dachte, dann kam mir automatisch der Todesnebel in den Sinn, der alles zerfraß und vor dem man sich kaum schützen konnte.
Was hier passiert war, wies teilweise auf den Todesnebel hin, und das war für mich nicht eben eine Freude. Ich hasste ihn. Ich verfluchte ihn. Ich wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben, obwohl ich gegen ihn durch mein Kreuz gefeit war. Es gehörte zu den wenigen Waffen, die dem Nebel widerstanden.
Aber es war durchaus möglich, dass ich mich auf einer völlig falschen Fährte befand. Dass dieser Nebel einen ganz anderen Ursprung und mit der Unterwelt oder der Hölle zu tun hatte. Hier war etwas passiert. Hier im Wald, hier im See, und ich dachte wieder an die unheimlichen Vorgänge in Russland, als Karina Grischin und ich Mandragoros Monsterwelt in der Tiefe eines Sees erlebt hatten.
War hier Ähnliches geschehen?
Etwas berührte mein linkes Bein!
Es geschah so unerwartet, dass ich zusammenschreckte. Ein fester Gegenstand, der noch mal gegen das Bein schlug und mich in Versuchung brachte, nach ihm zu greifen.
Etwas Helles trieb hoch.
Ich fasste zu.
Es war kein Ast, sondern ein heller Knochen, den ich aus dem Wasser gezogen hatte.
Meine Überraschung war so intensiv, dass ich vor Schreck tiefer sank und zum Glück den Mund geschlossen hielt. Schnell tauchte ich wieder auf, und da erreichten mich schon Bills Rufe.
»John, die Knochen sind da. Komm ans Ufer. Sie… sie… schwimmen um dich herum!«
Ich hatte mich nicht verhört. Ein Rundblick bewies mir, wie Recht mein Freund hatte. Die bleichen Gebilde mussten vom Grund her in die Höhe gespült worden sein. Eine andere Möglichkeit gab es für mich nicht. Und sie waren dabei, sich zu verteilen. Sie drehten sich, schaukelten, trieben hoch und wieder zurück, sie stießen zusammen und gerieten immer mehr in meine Nähe.
Ich hatte keine Lust, mich um sie zu kümmern. Den Knochen, den ich in der Hand hielt und der mich beim Schwimmen behinderte, schleuderte ich weg. Er klatschte in das Wasser hinein und verschwand vor meinen Augen.
Als Bill wieder heftig winkte, schwamm ich auf den Steg zu. Die Knochen waren da, aber sie behinderten mich nicht, auch wenn es makaber aussah, als plötzlich der skelettierte Kopf dicht vor mir in die Höhe schoss, als wollte er mich küssen.
Wenig später hatte ich den Steg erreicht, auf dem Bill jetzt kniete und mir seine Hand entgegenstreckte, die ich dankbar ergriff und mich in die Höhe ziehen ließ.
Auf dem Steg blieb ich mit leicht zitternden Beinen stehen und schaute zu, wie Bill den Kopf schüttelte. »Das darf doch alles nicht wahr sein, verdammt. Was wird hier gespielt?«
Ich strich mir das Wasser aus den Haaren und wrang die Kleidung so gut aus wie möglich. »Frag die Knochen«, sagte ich nur.
»Sehr schön.«
Trockene Kleidung befand sich leider nicht im Rover. Zum Glück war meine Jacke nicht nass geworden. Sie lag auf dem Steg. Ich hob sie an und zog sie über. Mit dem Taschentuch trocknete ich noch das Gesicht ab. Danach stellte ich mich neben Bill und schaute
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