1181 - Baphomets Blutgeld
zu sehen.
Ich empfand den Wind schärfer als sonst und schaute dorthin, wo die Kiste mit dem Gold angeschwemmt worden war.
Es gab sie nicht mehr. Die Zeitschleife hatte sie geholt, ebenso wie die beiden Krieger.
Ich bewegte mich mit langsamen Schritten auf die Stelle zu, an der die Kiste noch bis vor kurzem gestanden hatte. Jeden Schritt merkte ich auch als Echo im Kopf, und wieder mal musste ich die Zähne zusammenbeißen.
Meine Füße wirbelten den Sand in die Höhe, der an einigen Stellen zu feuchten Klumpen zusammengebacken war. Ich änderte die Richtung und ging zu dem Menschen hin, der mein Vertrauen so brutal missbraucht hatte.
Die Waffe steckte noch in Flynns Brust. Ein alter Säbel aus einer längst vergangenen Zeit. Mit einer Waffe aus der Vergangenheit war er getötet worden. Es war unglaublich, aber gerade das Unglaubliche und auch Unfassbare war für mich zu einer Realität geworden, mit der ich tagtäglich zurechtkommen musste.
Die Wunde war groß. Die Klinge hatte sich tief in die Brust hineingebohrt. Ich wollte dem Toten die Augen schließen und beugte mich deshalb über ihn. Noch in der Vorwärtsbewegung drang mir das Stöhnen entgegen.
Zuerst dachte ich an eine Täuschung oder daran, dass mir der Wind einen Streich gespielt hatte.
Nichts davon stimmte. Es war Noah Flynn gewesen, der sich gemeldet hatte, und jetzt, da sich mein Gesicht dicht über seinem befand, entdeckte ich auch das Flattern der Augenlider und schaute in zwei Pupillen, in denen kaum noch Glanz stand, wobei der Blick nicht völlig gebrochen war.
»Noah…«, flüsterte ich.
Er hatte mich gehört. Durch seinen Körper glitt ein Ruck. Ich traute mich nicht, ihm die Waffe aus der Brust zu ziehen, denn ich wusste, dass er keine Chance mehr hatte, um zu überleben. Möglicherweise wollte er sein Gewissen erleichtern.
»John…«, hauchte er mir entgegen.
Ich versuchte, das leise Rauschen des Meeres zu ignorieren und mich nur auf ihn zu konzentrieren.
»Ja, ich bin da.«
Er konnte sich nicht bewegen. Ich sah die Qual in seinen Augen.
»John… ich… ich… habe alles falsch gemacht. Das verdammte Gold hat mir den Verstand geraubt. Ich… ich… die Münzen. Ich war plötzlich wie von Sinnen. Ich dachte an einen Traum, der plötzlich für mich wahr geworden war. Ich wollte endlich mal reich sein und sagen können, dass sich mein Leben gelohnt hat…« Er hustete leise. Ich entdeckte dabei die dunkle, etwas schaumige Flüssigkeit auf seinen trockenen Lippen und wusste, dass es Blut war.
»Du darfst jetzt nicht reden, Noah. Ich…«
»Nein, nein, keine falschen Versprechungen, John. Mein letzter Fehler im Leben ist tödlich gewesen.«
Ich schwieg.
Noah redete weiter. »Ich hoffe, dass mir der Herrgott verzeihen kann, John, und du auch.«
Ich nickte.
Noah versuchte es mit einem Lächeln. Vielleicht das letzte in seinem Leben. »Geh du deinen Weg, John. Ich weiß, du bist jemand, dem man Glück wünschen muss…«
Er wollte noch etwas hinzufügen, aber sein Gesicht verzerrte sich, als wäre die Haut plötzlich zu Gummi geworden. Ein letzter zischender Laut entwich seinem Mund, und dann brach sein Blick tatsächlich. Der Kopf sank zur Seite. Danach war es mit seinem Leben vorbei.
Ich blieb noch eine Weile neben Noah Flynn sitzen. Die Schmerzen in meinem Kopf spürte ich kaum noch, weil ich mich auf das Erlebte konzentrierte.
Ich wollte nicht darüber richten, was er richtig und was er falsch gemacht hatte. Er war einfach nur ein Mensch gewesen, und wie viele Menschen hatte er sich von den falschen Verlockungen anziehen lassen. Auf der Suche nach dem Gold hatte es schon zu allen Zeiten Opfer gegeben. Ich brauchte nur daran zu denken, was alles im Mittelalter getan worden war, um das Gold herzustellen. Weltliche und geistliche Fürsten hatten sich Alchimisten gehalten, die Gold künstlich herstellen sollten, was ihnen nicht gelungen war.
Mir blieb nichts anderes mehr übrig, als dem Toten die Augen zuzudrücken. Es war schade, dass Noah gestorben war. Somit hatte der Fall schon sein zweites Opfer gefunden, die Gestalten aus der Vergangenheit nicht mitgezählt.
Ich richtete mich wieder auf und fand mich allein am Strand wieder. Noah hatte noch Goldmünzen aus der Kiste zusammengerafft. Sie lagen jetzt neben ihm und schimmerten wie kleine Sonnen im Ufersand.
Ich stand recht tief. Zum Land hin schützten mich die Hügelwellen, und so konnte ich auch nicht viel sehen, abgesehen von dem unendlich erscheinenden weiten und
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