1185 - Im Schloss der Skelette
was sagt dir das?«
»Nichts, Abbé, nichts. Ich begreife es nicht. Wenn das alles so stimmt, hätten sie längst zusammengebrochen sein müssen. Da hilft auch kein Abstützen mehr.«
»Es gibt vieles, was unser Verstand nicht logisch nachvollziehen kann, Lucien. Das solltest du wissen.«
»Bisher mehr in der Theorie.«
»Lass uns weitergehen.«
»Ja.«
Luciens Antwort hatte nicht eben optimistisch geklungen, und Bloch fragte nach dem Grund.
»Ach, eigentlich nichts weiter. Ich mag es nur nicht, wenn ich derartige Gestalten in meinem Rücken weiß. Da bekomme ich immer das kalte Gefühl im Nacken.«
»Wir müssen damit rechnen, dass wir noch welche finden, die vor uns stehen.«
»Dann stecken wir in der Falle.«
Der Abbé hob die Schultern. »Ich sehe das nicht so pessimistisch wie du. Obwohl du natürlich Recht hast.«
Die beiden Templer setzten ihren Weg in die Tiefe des Stollens fort. Nur nicht mehr lange, denn schon bald sahen sie das viele Blut und die beiden Leichen.
Bloch blieb stehen. Er atmete scharf ein und schüttelte den Kopf. »Das sind Virenque und Poulin. Sie haben es nicht geschafft. Mein Gott…«
Er ging noch näher, und Lucien leuchtete die Stellen immer wieder an. Es war zu sehen, dass die beiden Detektive mit den Waffen getötet worden waren, auf die sich die Skelette verließen. Das stellte auch der jüngere Templer fest.
»Wenn die Mörder nicht die Toten gewesen sind«, flüsterte er dann. »Wer hat es dann getan?«
»Keine Sorge, mein junger Freund. Es waren die Skelette. Es waren die, die aus ihrer Welt zurückkehrten und diese furchtbare Gestalt annahmen.«
»Du weißt viel, Abbé.«
»Ich habe den Würfel. Aber trotzdem weiß ich noch zu wenig. Viel zu wenig…«
Lucien fragte nicht weiter. Er folgte der Armbewegung des Templer-Führers, und beide erkundeten weiterhin die Tiefe des Stollens.
»Warum hat man sie nicht schon vorher entdeckt?«
Bloch hob die Arme an. »Weil sie es da noch nicht gab. Zumindest nicht im sichtbaren Bereich. Ihr verfluchter Götze hat sie eben erst später zu dem gemacht, was sie jetzt sind. Das ist noch nicht lange her, und sie haben sich nicht weit von ihrer Höhle weggetraut. Daran musst du auch denken. Ich bin mir sicher, dass sie in einigen Tagen in ein Dorf eingefallen wären.«
»Dann leben sie also.«
Der alte Templer drehte kurz den Kopf. Vor der Antwort zeigte er ein schmales Lächeln. »Sie leben nicht, Lucien. Sie existieren nur. Das ist der Unterschied.«
Lucien bewegte nur seine Augen. Die Lippen blieben starr, auch beim Sprechen. »Ich muss wohl noch vieles lernen und umdenken«, gab er sich selbst gegenüber zu.
»Das ergibt sich im Laufe der Zeit.« Bloch wechselte das Thema und kehrte wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Er wies in die Dunkelheit. »Wir gehen den Stollen auf jeden Fall durch. Das sind wir uns einfach schuldig. Ich weiß nur nicht, wo er endet. Ich nehme an, irgendwo in dieser Bergflanke, versteckt…«
»Vielleicht auch in der Tiefe hier unter unseren Füßen«, flüsterte Lucien.
»Ja, das kann auch sein. Außerdem möchte ich gerne wissen, mit wie vielen dieser Gestalten wir es zu tun haben. Ich glaube nicht, dass es nur die zwei gewesen sind. Wir werden auf alle Fälle wachsamer sein müssen als die beiden Detektive.«
An sie musste Lucien stets denken. Der schreckliche Anblick wollte ihm nicht aus dem Kopf. Noch jetzt spürte er den Schauer auf seinem Rücken und im Gesicht.
Die Typen waren erfahrene Männer gewesen. Sie hätten sich wehren können und es auch müssen.
Aber die andere Seite war eben zu schnell gewesen und hatte sie überrascht.
Außerdem bewunderte Lucien den Mut seines Templer-Chefs. Er hatte ihn bisher falsch eingeschätzt. Der Abbé saß in der Regel in seinem Arbeitszimmer im Kloster und beschäftigte sich mit Dingen, von denen die meisten nichts wussten. Dass in diesem Raum ein makabrer und geheimnisvoller Knochensessel stand, das wusste Lucien auch. Über die genaue Funktion war er noch nicht informiert worden, aber es gab Brüder, die es wussten und darüber schwiegen oder nur hin und wieder gewisse Andeutungen machten.
Der Abbé bemerkte, dass sein junger Freund in Gedanken versunken war. »He, nicht träumen, Lucien!«
»Nein, nein, ich träume nicht. Ich habe nur eben über gewisse Dinge nachgedacht.«
»Nimm sie hin. Oft ist es nicht gut, zu stark nachzufragen. Man muss den Dingen ins Auge schauen und darf nur nicht fliehen, wenn man ihnen
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