1187 - Wächterin am Höllentor
gesponnen, John, aber ich frage mich, warum ich diese Person gesehen habe und nicht du?«
»Weil sie dir näher steht als mir.«
»Danke, darauf kann ich verzichten.«
»Ist aber so.«
Jane schloss für einen Moment die Augen. »Ja, du kannst Recht haben. Wahrscheinlich hast du auch Recht. Diese Person steht mir näher als dir. Deshalb habe ich sie auch gesehen, und denk daran, dass ich sie schon vorher gespürt habe. Unten am Teich hatte ich ebenfalls das Gefühl, nicht mehr allein mit dir zu sein.«
»Das bedeutet, dass diese Person ihr Gefängnis auch verlassen kann und sich wie normal bewegt.«
»Ja, so könnte es aussehen.«
»War sie feinstofflich?«
Jane hob die Schultern. »Nein, wohl kein Geist oder was immer man sich darunter vorstellt. Ich habe sie schon als normal angesehen. Sie wirkte wie eine Kriegerin, die zusätzlich in ihrer Bösartigkeit erstarrt ist und auf etwas wartet.«
»Was könnte das sein?«
»Frag mich nicht, John. Ich kann dir keine Antwort geben, und wir werden hier auch keine bekommen.«
»Das denke ich auch. Bleiben nur die Nonnen.«
»Die zumeist verschwiegen sind.«
»Nicht Schwester Josepha. Vergiss nicht, dass sie es gewesen ist, die den Stein ins Rollen gebracht hat.«
»Und damit eine dunkle Seite dieses Klosters ins Licht gezerrt hat. Oder siehst du das anders?«
Ich startete. »Wir werden sehen, Jane. Ich hoffe, dass wir in einer halben Stunde schlauer sind.«
Die Detektivin schaute mich so skeptisch an, dass ich lieber nichts mehr sagte. Irgendwie wurmte es mich, dass Jane diese Person gesehen hatte und nicht ich. Zudem fragte ich mich auch, ob sie es gewesen war, die geschrieen hatte. So recht vorstellen konnte ich mir das nicht. Sie hatte laut Janes Beschreibung nicht so gewirkt wie eine Gefangene, sondern eher wie eine Person, die genau wusste, was sie tat, und nicht nur zufällig in dieser Höhle steckte.
Oder nicht?
Konnte es nicht auch sein, dass sich für Jane das Tor in eine andere Dimension geöffnet hatte? Zwar hatte sie die Person gesehen, aber sie musste nicht unbedingt hinter der Tür gewesen sein. Sie konnte auch an einem Ort gewesen sein, an dem sich die Dimensionen überlappten und so etwas wie ein transzendentales Tor bildeten, was für uns nicht neu gewesen wäre.
Dann hätte dieser Zugang zur Höhle eine doppelte Bedeutung gehabt. Ein normales Tor und zugleich eins, das uns in eine andere Welt hineinführte.
Wir brauchten nur geradeaus zu fahren, um endlich das eigentliche Ziel zu erreichen. Das Kloster war kleiner, als ich erwartet hatte. Sehr plötzlich war es zu sehen, denn es gab keine Bäume mehr, die unsere Sicht behinderten.
Eine Mauer schützte den breiten Bau und den davorliegenden Platz, der mit grauen Steinen gepflastert war. Darauf lag das feuchte Laub. Es stammte von den Bäumen, die sich ebenfalls in diesem Vorgarten reckten.
Es gab ein Tor in der Mauer. Es stand offen. Beide Flügel waren so weit wie eben möglich nach hinten gedrückt, sodass wir keine Schwierigkeiten hatten, in den Klosterhof zu fahren. Parkplatz gab es genug. Kein einziges Fahrzeug stand dort.
Die große Eingangstür war geschlossen. Parterre, in der ersten und auch in der zweiten Etage malten sich die kleinen Fenster der Zellen und Räume wie ein geometrisches Muster ab. Hier hatte alles seine Ordnung, das merkten wir schon, als wir die Fassade anschauten. Selbst das Laub schien nicht so durcheinander zu liegen, wie es sonst üblich war.
Niemand öffnete schon jetzt die Tür, um uns zu begrüßen. So fuhren wir bis dicht an den Eingang, stoppten dort und stiegen aus.
Jane ordnete kurz ihr Haar, während ich den Rover abschloss. Es gab neben der Tür eine rote Klingel, und der Knopf schaute wie ein erstarrter Blutstropfen aus dem flachen Gestein hervor.
Auch hier herrschte die Stille vor. Es zwitscherte kein Vogel, und es war auch kein fremdes Geräusch zu hören, das uns hätte überraschen können.
Eine friedliche Stimmung, die allmählich von der herabkommenden Dämmerung beherrscht wurde.
Jane drückte den Knopf tiefer. Wir waren gespannt. Ich spürte, dass sich mein Herzschlag beschleunigt hatte. Dafür gab es eigentlich keinen Grund, doch ich konnte die Dinge hier nicht so rational sehen wie sie es verdient hätten.
Es dauerte seine Zeit, bis die Tür geöffnet wurde. Nur einen Spalt, in dem wir ein Frauengesicht sahen, das von einer dunklen und starren Haube umgeben war.
»Bitte - Sie wünschen?«
Jane übernahm das Reden. Das war
Weitere Kostenlose Bücher