1188 - Wartesaal zum Jenseits
handelt.«
»Was meinst du genau?«
»Wo können sich so genannte Heilige denn besonders wohl fühlen? Was meinst du?«
Suko hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, denn ich bin noch nicht heilig.«
»Ich auch nicht, Alter. Aber ich kann mir vorstellen, wo wir suchen müssen.«
»Da bin ich aber gespannt.«
»In der Kirche.«
Suko sagte zunächst nichts. Dann fragte er nur: »Ist das deine ehrliche Meinung?«
»Ja. Und jetzt komm mit…«
***
Glenda Perkins hatte sich etwas über sich selbst geärgert. Manchmal überschätzte man sich eben, und so war es ihr ergangen, denn sie hatte schon Mühe, das Haus zu finden, in dem Marga Tomlin gewohnt hatte. Erst nach dem zweiten Fragen hatte sie eine Antwort erhalten. Beim ersten Mal hatte sich der Mann abrupt abgewandt und sie einfach stehen gelassen. Der zweite war freundlicher gewesen, aber auch in seiner Stimme hatte Misstrauen geklungen. Diese Marga Tomlin schien in Weald nicht sehr gelitten gewesen zu sein.
Es war ihr egal. Glenda wollte Aufklärung, und sie wollte endlich erfahren, was Tessa Tomlin über den Fall wusste, denn sie ging davon aus, dass sie ihr nicht alles erzählt hatte.
Die Straßen waren feucht. Der Dunst schwappte in den Ort. Das Laub klebte am Boden, und die kahlen Äste der Bäume sahen manchmal aus wie angekohlt.
Das Haus, in dem sie Tessa treffen wollte, war recht groß. Es erstreckte sich über zwei Etagen, war aus Backsteinen gebaut worden und konnte durchaus schon seit einem Jahrhundert an dieser Stelle stehen. Ohne zu zögern ging Glenda zur Tür, um dort nach einer Klingel zu suchen. Das war nicht nötig, denn die Tür war nicht abgeschlossen. Sie stand sogar offen, und Glenda schob sie nach innen, bevor auch sie den Flur betrat.
Es war still. Wenn sie es sich recht überlegte, kam ihr das Haus sogar ausgestorben vor, und nach dem dritten Schritt auf die Treppe zu beschlich sie ein ungutes Gefühl. Es war schwer für sie, es einzuordnen, und sie nahm es als eine Warnung hin.
Vor der Treppe blieb sie für einen Moment stehen, um nach oben hin zu lauschen.
Von dort hörte sie nichts. Die Stille blieb. Da machte sich wirklich kein Mensch bemerkbar. Keine Stimme, keine Musik.
Sie ging langsam die Treppe hinauf.
Bei jeder Stufe verzog sie das Gesicht, ihr gefiel das Geräusch nicht, das sie verursachte, aber es war nicht zu ändern. In diesem Gemäuer hatten sich die Geister die langen Jahre eingenistet und beschwerten sich, wenn ihre Ruhe durch einen Menschen gestört wurde, dieses Gefühl hatte Glenda jedenfalls.
Auch als sie die erste Etage erreichte, ging es ihr nicht besser. Das schlechte Gefühl hatte sie nicht losgelassen.
Misstrauisch stand sie vor der Wohnungstür. Sie entdeckte einen Klingelknopf, doch sie traute sich nicht, ihn zu drücken. Irgendwie hatte sie den Eindruck, dann etwas falsch zu machen, und Glenda hörte gern auf ihr Gefühl.
Die Lippen zusammengepresst, blickte sich die dunkelhaarige Frau auf dieser Etage um. Sie suchte nach Hinweisen, die ihr negatives Gefühl bestätigten, aber sie gab es nicht. Die Treppe führte weiter hoch, wobei die Stufen dort im grauen Dämmerlicht verschwanden, weil sich dort kein Flurfenster befand.
Alles war seltsam geworden. Fast schon unheimlich. Auch kälter. Sie fröstelte und neigte dann ihr Ohr gegen das raue Holz der braun gestrichenen Wohnungstür.
Und jetzt hörte sie etwas.
Glenda zuckte zusammen. Ihre Hände wurden feucht. Das Herz schlug schneller, denn sie hatte weder Musik noch Worte gehört, sondern einen Schrei.
Tessa?
Plötzlich wusste sie, dass sie etwas unternehmen musste.
Sie wünschte sich, die Kraft eines Riesen zu haben, um die Tür aufbrechen zu können.
Es gab für Glenda keine andere Möglichkeit, und sie machte es so, wie sie es schon oft im Kino gesehen hatte. Zuerst Anlauf nehmen. Die Entfernung abschätzen. Dann Luft holten.
Sie rannte, drehte sich, prallte mit der rechten Schulter gegen die Tür und schrie dabei auf.
Der Schmerz wühlte sich durch ihre Schulter. Sie hatte auch den Eindruck, Tränen zu weinen, aber sie ließ sich nicht beirren, ging erneut zurück, nahm wieder Anlauf und startete einen zweiten Versuch.
Beim ersten hatte die Tür gewackelt. Jetzt, beim zweiten, wollte sie, dass sie brach.
Und sie hatte Glück!
Plötzlich hörte sie das Knirschen. Es war wie Musik in ihren Ohren. Das alte Holz hatte dem Druck nicht standhalten können. Es brach in Schlosshöhe auseinander, und Glenda, deren Schwung nur wenig
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