11.9. - zehn Jahre danach: Der Einsturz eines Lügengebäudes (German Edition)
Landgut betreibt, erstmals für drei Monate in den USA, um Englisch zu lernen. Danach lebte er fünf Jahre in seiner Heimat und kehrte 1996 zurück, um wieder Englischkurse zu nehmen und fliegen zu lernen. An verschiedenen Flugschulen in Kalifornien und in Arizona fiel er dabei nicht nur wegen seiner schlechten Sprachbeherrschung auf. Als er 1998 für 200 Dollar ein Training an einem Flugsimulator buchte – nicht einer Boeing 757, sondern eines Cessna-ähnlichen Kleinflugzeugs –, stellte der Fluglehrer fest, dass Hanjour nur die gröbsten Kenntnisse darüber hatte, welche Instrumente dort welche Rolle spielten. Wie er es dennoch schaffte, im April 1999 eine offizielle FAA-Fluglizenz zu bekommen, ist, so notierte die Washington Post , »eine weiterhin offene Frage, die FAA-Offizielle nicht diskutieren möchten« 3 – was insofern nicht wundert, als die Flugschulen, bei denen sich Hanjour 2000 und Anfang 2001 zum Training für Passagierflugzeuge anmeldete, insgesamt fünfmal bei der FAA nachfragten, ob seine Lizenz echt sei. Nicht weil er als potentieller Terrorist und »Hijacker« verdächtigt wurde, sondern weil man ihn wegen seiner kläglichen Flugkünste für eine Gefahr für den Luftraum hielt. »Bis heute«, erinnerte sich ein Angestellter der Pan Am International Flight Academy in Phoenix, »bin ich von den Socken, dass der in das Pentagon geflogen sein soll. Er konnte doch überhaupt nicht fliegen.« 4
Die Verfasser des Commission Report können nicht umhin gekommen sein, die umfangreichen Belege über die aeronautische Niete Hani Hanjour zur Kenntnis zu nehmen, umschifften diese offensichtlichen Zweifel aber ebenso weiträumig, wie sie einen weiteren wichtigen Zeugen ignorierten, der über Hanjours Flugtraining in Phoenix berichtete. Es handelt sich um den aus dem Kaukasus stammenden muslimischen US-Bürger Aukai Collins, der Hanjour bei einigen seiner Flugstunden begleitete – in seiner Eigenschaft als Informant des FBI in der arabischen und muslimischen Szene in Phoenix. Wie seine Kollegen Al-Midhar und Nawaf Al-Hazmi, die in San Diego bei einem FBI-Spitzel wohnten, stand mithin auch Hanjour schon 1998 in Phoenix unter behördlicher Aufsicht – und laut FBI traf er Anfang 2000 in San Diego auch mit Omar Al-Bayoumi, dem seit 9/11 abgetauchten saudischen »Geschäftsmann« zusammen, der dort Al-Midhar und Al-Hazmi betreute. Der Commission Report behauptet zwar, Hanjour sei nur einmal und kurz in San Diego gewesen, die Nachbarn von Al-Midhar und Al-Hazmi und weitere Zeugen sahen ihn dort aber häufiger. Laut den Aussagen von Aukai Collins wusste das FBI »alles über diesen Jungen«, einschließlich seiner Adresse und Telefonnummer, denn er habe seine Arbeitgeber 1998 über eine größere Gruppe von Arabern informiert, die in Phoenix Flugunterricht nahmen – was das FBI abstreitet. Verständlich, denn das passt ebenso wenig ins offizielle Bild wie Collins’ Erinnerung an Hanjour: »Er war nicht einmal halbwegs religiös, schon gar nicht fanatisch religiös. Und ich weiß sicher, das er kein Teil von Al-Qaida oder einer islamistischen Organisation war; er konnte ›Dschihad‹ nicht einmal auf Arabisch buchstabieren.« 5
Halten wir also fest: kein offizieller Passagier, kein fähiger Pilot, kein fanatischer Islamist – was aber war Hani Hanjour dann?
»Patsy« wird als umgangssprachlicher amerikanischer Ausdruck vom Wörterbuch mit »Sündenbock«, »Witzfigur«, »Einfaltspinsel« übersetzt, der Webster definiert ihn als »jemand, der hintergangen oder zum Opfer gemacht wird«, und verweist auf die etymologische Abstammung vom italienischen »Trottel«: »pazzo«. In Anbetracht der Leistungen von Hanjour, der trotz jahrelanger Kurse kaum Englisch sprach und von einem halben Dutzend Flugschulen als hoffnungsloser Fall angesehen wurde, ist es gewiss nicht ungerecht, ihm im wirklichen Leben eine gewisse Trottelhaftigkeit zuzusprechen. Als Kind soll er als Berufswunsch stets »Flugbegleiter« genannt haben – und zu viel mehr als Saftschubsen reichten seine fliegerischen Qualifikationen auch 2001 noch nicht. Doch immerhin hatte er sich mit Ausdauer und auf krummen Wegen eine Pilotenlizenz verschafft und war als Mitglied einer Gruppe arabischer Flugschüler schon 1998 auf das Radar des FBI gekommen. Als er im September 2000 erneut ein Visum für die USA beantragte, wurde dies zunächst abgelehnt, zwei Wochen später erhielt er es dann doch – auf demselben US-Konsulat in Dschiddah, Saudi-Arabien, dem
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