1190 - Geisterrache
Erinnerung daran tilgen. Ich will auch nicht sterben, und ich will meine Familie nicht in Gefahr bringen. Mein Gott, ich wohne nicht weit von hier. Im Moment sind meine beiden Enkelkinder zu Besuch. Wenn ich daran denke, dass ihnen etwas passieren könnte, ist das einfach grauenhaft.«
Jane nickte ihm zu. »Das kann ich nachvollziehen, Mr. Glaser. Aber wir müssen uns den Problemen stellen, ob wir wollen oder nicht.«
Seine Augen verengten sich etwas, als er sich auf Jane konzentrierte. »Warum wir?«, fragte er leise.
»Weil es…«, sie hob die Schultern. »Sie sind der letzte Mensch, der übrig geblieben ist.«
»Sie sind auch noch hier.«
»Stimmt.«
»Was haben Sie eigentlich mit der Sache zu tun, Miss Collins? Bisher habe ich nur über mich geredet, aber jetzt sind Sie an der Reihe, nehme ich an.«
»Da haben Sie nicht Unrecht. Ich werde auch mit offenen Karten spielen, Mr. Glaser.«
Jane meinte es ernst. Sie nahm kein Blatt vor den Mund. Was der Geist in den folgenden Minuten erfuhr, ließ ihn schaudern. Ihm standen dabei die Haare zu Berge. Er schluckte immer wieder, schüttelte den Kopf und holte unregelmäßig Atem. Schließlich war er in der Lage, einen Kommentar abzugeben.
»Himmel, das kann nicht wahr sein!«
»Wort für Wort.«
»Glauben Sie, dass diese Person, ich meine… dass Gunhilla eine Verwandtschaft zu Ihnen erkennt?«
»So ist es. Sie ist eine Hexe gewesen, was immer man darunter verstehen mag. Ich kann durch mein eigenes Schicksal nachvollziehen, was das bedeutet. Ich habe alles mit viel Glück überstanden, was bei Gunhilla nicht der Fall ist. Davon müssen wir leider ausgehen.«
»Was will sie genau von Ihnen, Miss Collins?«
»Sie sucht einen entsprechenden Beistand.«
»Warum denn?«
»Tja, das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Jedenfalls hat sie mich erpressen können. Ich habe mich von meinen Partnern getrennt, um Sie zu besuchen.«
»Und zu retten?«
»Wenn möglich, schon.« Jane räusperte sich. »Es kann auch sein, dass Gunhilla mir einzig und allein ihre Macht demonstrieren will. Dass Sie mich dabeihaben will, wenn sie mit Ihnen abrechnet. Ich weiß, dass es sich schlimm und brutal anhört, aber wir müssen den Dingen so ins Auge sehen.«
Der Küster schlug wieder die Hände vors Gesicht. Nach einer Weile hatte er sich wieder gefangen und ließ sie sinken. Mit leerem Blick starrte er auf das Brett. »Ich… ich… muss Ihnen etwas sagen, Miss Collins.«
»Bitte. Und was?«
»Gunhilla war schon hier.«
Jane sagte zunächst nichts. Sie blickte den Mann nur an, als wollte sie herausfinden, ob er gelogen hatte oder nicht. »Ich habe doch richtig gehört, nicht?«
»Das haben Sie. Gunhilla ist hier gewesen. Nicht hier im Raum, ich habe sie außen vor der Kirche gesehen.« Im nächsten Augenblick sprudelte es aus ihm hervor. Jane konnte kaum so schnell zuhören und folgen, wie er redete. Was sie dann erfuhr, hörte sich zwar nicht gefährlich an, aber es zeigte, wie mächtig sich Gunhilla schon fühlte.
»Jetzt möchte ich Ihren Kommentar dazu hören, Miss Collins.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Konkretes nicht. Aber sie wird einen Plan haben.«
»Zu dem auch Sie gehören.«
»Leider.«
Der Küster schaute sie wieder fest an. »Und Sie stehen tatsächlich auf meiner Seite, Miss Collins? Ich kann mich voll und ganz auf Sie verlassen, obwohl Sie schon zur anderen Seite gehört haben, wie Sie selbst sagten?«
»Das können Sie, Mr. Glaser.«
»Danke.« Mit einer schnellen Bewegung stand er auf und ging auf eine bestimmte Stelle an der Wand zu. Dort standen zwei Kerzen in armlangen Leuchtern. Er nahm sie an sich und stellte sie neben den Tisch.
»Was wollen Sie damit«
»Waffen, Miss Collins, das sind Waffen. Ich kann mich mit ihnen verteidigen.«
»Wenn es Ihnen hilft - bitte.«
»Sie glauben nicht daran?«
»Nein. Aber das ist auch nicht wichtig.« Jane blieb ebenfalls sitzen. Ihr Ziel war das Fenster mit dem schmalen Eisengitter davor. Sie und Hank Glaser hatten einige Zeit in der Sakristei verbracht.
Inzwischen war die Zeit nicht stehen geblieben. Draußen hatte sich die Welt verändert und war noch dunkler geworden. Sie hatte das Gefühl, dass es bald zu regnen anfangen würde. Wind war aufgekommen. Die Zweige der nahen Bäume bewegten sich.
Noch zeigte der Himmel einen hellen Schimmer, sodass ein Kontrast aus Helligkeit und Dunkel entstanden war. Jane legte die Hände auf die Fensterbank. Sie brauchte einen Moment Ruhe, um darüber
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